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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
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«konnte der Wert eines Sklaven den eines Europäers um das Dreifache übertreffen.»
    Sklaverei und
P. falciparum
entwickelten sich gemeinsam. In Atlantic City, New Jersey, konnte sich
P. falciparum
nicht lange halten; die durchschnittliche Tagestiefsttemperatur liegt dort nur wenige Wochen im Jahr über neunzehn Grad Celsius, dem Schwellenwert des Parasiten. Doch in Washington, D. C., nur 260  Kilometer südlich gelegen, ließ die etwas wärmere Temperatur ihn in jedem Herbst zu einer Bedrohung werden. Nicht umsonst nennt man Washington die nördlichste Stadt der Südstaaten! [243] Diese beiden Städte trennt die Grenze zwischen Pennsylvania und Maryland, die 1768 bekanntlich von Charles Mason und Jeremiah Dixon vermessen wurde. Die Mason-Dixon-Linie teilt die Ostküste grob in zwei Zonen auf, eine, in der die
P.-falciparum
-Malaria eine endemische Bedrohung war, und eine andere, in der die Krankheit keine Rolle spielte. Außerdem markierte sie die Grenze zwischen den Gebieten, in denen die Haltung afrikanischer Sklaven eine feste Institution war, und jenen, in denen das nicht der Fall war. In etwa folgte sie auch der Trennungslinie zwischen sklavenhaltenden und sklavenfreien indigenen Gesellschaften. Und es verläuft dort die Grenze zwischen Yankee- und Dixie-Kultur, eine der dauerhaftesten Unterteilungen der US -amerikanischen Gesellschaft. Da stellt sich natürlich die Frage, ob all diese Grenzziehungen miteinander verknüpft sind. [244]
    Jahrzehntelang vertrat eine einflussreiche Gruppe von Historikern die Auffassung, dass die Kultur des Südens im Schoß seiner großen Plantagen entstanden sei – der riesigen Besitzungen, deren Inbegriff, zumindest für den Rest der Welt, Tara in dem Film
Vom Winde verweht
ist. Nach dieser Auffassung war die Plantage der Archetyp, das Idealbild, die Urform und daher von zentraler Bedeutung für das Selbstbild des Südens. Spätere Historiker kritisierten diese Auffassung. Nur in der südlichen Chesapeake Bay und im Tiefland um Charleston gab es eine größere Zahl weitläufiger kolonialer Plantagen. [245] Auffälligerweise waren das die beiden Gebiete in den britischen Kolonien, die am stärksten unter Malaria litten. Umfassende Entwässerungsprojekte beseitigten Virginias Malaria in den 1920 er Jahren, während die Küste South Carolinas noch weitere zwanzig Jahre zu den schlimmsten
Plasmodium-
Gebieten der Vereinigten Staaten gehörte. [246] So gesehen scheint das Film-Tara ein idealer Wohnsitz für ein Malaria-Land gewesen zu sein: auf einem Hügel gelegen, von weiten, gepflegten Rasenflächen umgeben, die großen Fenster dem Wind geöffnet. Alles Eigenschaften, die geeignet sind,
Anopheles quadrimaculatus
zu vermeiden, denn diese Insekten entwickeln sich am besten in tief liegenden, abwechslungsreich bewachsenen, teilweise beschatteten Gebieten und stehender Luft. Ist die Gedankenverbindung zwischen Malaria und dieser Villa im
Plasmodia
-Stil bloßer Zufall? Es erscheint töricht, die Möglichkeit eines solchen Zusammenhangs von der Hand zu weisen. [247]
    Tara, hinter Scarlett O’Hara auf diesem Werbefoto für
Vom Winde verweht
zu sehen, wurde als Studiokulisse aufgebaut. Trotzdem ist es ein getreues Abbild der klassischen Südstaatenplantage. Das Herrenhaus, auf einem fast baumlosen Hügel gelegen, mit hohen Fenstern, um den Wind hereinzulassen, war ideal geeignet, die Stechmücken – und damit die Krankheit, die sie brachten – abzuwehren.
    «Wie sähe die Haltung einer Bevölkerung aus, die eine relativ hohe Krankheitsrate und kurze Lebenserwartung hat?», fragten die Rutmans. Einige Forscher meinten, die Sorglosigkeit und die Prachtentfaltung, die für die Vorkriegskultur der Südstaaten so charakteristisch gewesen seien, hätten ihre Wurzeln in der ständigen Bedrohung durch die Krankheit gehabt. Andere berichteten von einer besonderen Ruhe im Angesicht des Todes. Mag sein – aber es dürfte sich schwer beweisen lassen, dass die Südstaatler tatsächlich ungewöhnlich unbesonnen, eitel oder beherrscht waren. Tatsächlich ließe sich auch umgekehrt argumentieren: dass sie, ständig den kalten Atem des Todes im Nacken spürend, ängstlich, unterwürfig und reizbar geworden seien. [248]
    Mehr als vierhundert Stechmückenarten gehören zur Gattung
Anopheles
. Vielleicht ein Viertel von ihnen kann Malaria übertragen, aber nur dreißig Arten sind häufige Vektoren. Mehr als ein Dutzend davon gibt es in Amerika, von denen
A. quadrimaculatus
,
A. albimanus
und
A.

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