Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
Regierungen beaufsichtigt. Die Europäer dachten sicherlich, die Indianer hätten solche Institutionen – das hätte erklärt, warum die wiederholten Versuche der Eindringlinge, sich dieses fruchtbare landwirtschaftliche Gebiet anzueignen, immer wieder zurückgeschlagen wurden. Erst im 18 . Jahrhundert konnten die Fremden Fuß fassen, wobei ihnen die Einschleppung europäischer Krankheiten half: Pocken, Tuberkulose und Grippe bahnten den Weg für die Malaria. Die Indianer zogen sich ins Innere zurück und überließen den Europäern die Küste, die dort Zuckerrohrplantagen anlegten. Nach langen internationalen Streitigkeiten wurde das Gebiet schließlich aufgeteilt in Guyane (Französisch-Guayana), Surinam (früher Niederländisch-Guayana) und Guyana (früher Britisch-Guayana).
Sehr typisch war Guyane, das von Frankreich 1763 durch einen Vertrag offiziell erworben wurde. Die ursprünglichen Kolonisierungsversuche waren so desaströs verlaufen, dass die Nation die Existenz der Kolonie fast vergessen hatte, bis ein vom Militär getragener Staatsstreich dreißig Jahre später das Parlament absetzte, das von der Französischen Revolution geschaffen worden war. Die neue Diktatur lud 328 unerwünschte Abgeordnete, Geistliche und Journalisten auf kleine Schiffe und setzte sie in der Kolonie aus.
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begrüßte sie am Strand. Binnen zweier Jahre war mehr als die Hälfte von ihnen tot, entweder von der Malaria umgebracht oder aufgrund ihrer Schwäche von anderen Krankheiten dahingerafft. Davon unbeeindruckt, schickte Frankreich auch weiterhin Strafgefangene und unerwünschte Elemente in die Kolonie. Früher waren französische Zuchthäusler auf speziellen Gefängnisschiffen im Mittelmeer als Galeerensklaven eingesetzt worden. Als die Dampfmaschine die Galeeren obsolet machte, wurden Sträflinge nach Französisch-Guayana geschickt. Gewaltverbrecher kamen in das berüchtigte Zuchthaus auf der Teufelsinsel, elf Kilometer vor der Küste gelegen; die übrigen wurden in Sträflingskolonnen zur Landarbeit eingesetzt. Dort starben so viele Gefangene an Krankheiten, dass man Französisch-Guayana auch als «trockene Guillotine» bezeichnete – sie tötete, ohne ihre Klinge mit Blut beflecken zu müssen. Etwa 80 000 Franzosen wurden dorthin verschifft, und nur sehr wenige kamen zurück. [261]
Der französische Zeichner und Maler Édouard Riou, heute vor allem wegen seiner Jules-Verne-Illustrationen bekannt, bereiste 1862 / 63 die französische Kolonie Guayana. Auf einen Besuch der Gefängnisinsel geht dieses Bild der Seebestattung eines Sträflings zurück, der wahrscheinlich der Malaria oder dem Gelbfieber zum Opfer fiel.
Da Europäer in Krankheitszonen nicht siedeln konnten, gründeten sie dort auch keine Gemeinwesen. Der Idealfall war Offshore-Eigentum. Die Europäer blieben sicher im Mutterland, während eine kleine Zahl von Verwaltern vor Ort die Sklaven beaufsichtigte. Da die Gefangenen die Aufseher zahlenmäßig weit übertrafen, waren die Zuckerfabriken nur mit Einschüchterung und Brutalität zu führen. Im Reich von
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und Gelbfieber wurde die Zucker-Despotie zur Regel: eine winzige Gruppe von Europäern als Herren über eine enorme Zahl von entwurzelten Afrikanern, die je nach Wesensart empört, entmutigt oder stoisch waren. [262]
An sich ist nichts gegen Offshore-Eigentum einzuwenden. Wenn französische Winzer in Kalifornien Weingüter kaufen oder US -amerikanische Winzer Weingüter in Bordeaux oder Burgund erwerben, dann mag das ein herber Schlag für den Lokalpatriotismus sein, dürfte sich aber kaum auf eines der beiden Länder nachhaltig auswirken. Anders verhält es sich, wenn ausländische Winzer jedes Weingut kaufen – oder, schlimmer noch, wenn Menschen, die Tausende von Kilometern entfernt leben, jeden Wirtschaftszweig beherrschen. Ein leider allzu typisches Beispiel: Eine einzige Liverpooler Firma, Booker Brothers, kontrollierte fast hundert Jahre lang drei Viertel der Wirtschaft von Britisch-Guayana. Alle Gewinne landeten auf der anderen Seite des Ozeans. Genauso verhielt es sich mit dem unternehmerischen, wirtschaftlichen und technischen Sachverstand. Die Leute vor Ort sorgten nur für die schwere körperliche Arbeit. Wenn sie etwas anderes versuchten, wurden sie sogar bestraft.
Wie die Wirtschaftswissenschaftler Acemoglu, Johnson und Robinson darlegen, hatten Besitzer, die weit entfernt lebten und kaum Kontakt hatten, wenig Interesse an der Entwicklung von Einrichtungen, die
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