Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
Feldexperimente haben gezeigt, dass er sich unter günstigen Umweltbedingungen stark vermehren kann. Angesichts dieser Präferenzen muss das Vordringen der Europäer in die Karibik der Beginn eines goldenen Zeitalters für
A. albimanus
gewesen sein. In dem Maße, wie die Moskitopopulation anwuchs, erhöhten sich die Aussichten für
P. vivax
, die Widerstände seines potenziellen Wirts zu überwinden. [256] Vielleicht ist ihm das sogar auf einer Reise mit Colón gelungen; abgesehen von dem Verweis auf
çiçiones
während der zweiten Reise des Admirals behauptete sein Sohn später auch, dass auf der vierten Reise «Wechselfieber» aufgetreten sei. [257]
Aus der Karibik breitete sich die
P.-vivax-
Malaria nach Mexiko aus.
P. falciparum
kam viel später, was zum Teil an der weitgehenden Resistenz von
A. albimanus
gegen den Parasiten lag.
Die Zuckerplantagen waren Ursache für die Entwaldung von Barbados, wie der Hintergrund auf dieser Fotografie von Landarbeiterhütten aus den 1890 er Jahren zeigt.
Ein anderer Nutznießer war
Aedes aegypti
, der Gelbfieber-Vektor.
A. aegypti
vermehrt sich gern in kleinen Ansammlungen klaren Wassers in der Nähe von Menschen; Wassertonnen auf Schiffen gehörten bekanntermaßen zu ihren Lieblingsplätzen. Ähnliche Gefäße hatten Zuckerfabriken in Hülle und Fülle zu bieten: die rohen Tontöpfe, in denen der Zucker kristallisierte. Auf Plantagen gab es Hunderte und Tausende dieser Gefäße, die nur während eines Teils des Jahres verwendet wurden und vielfach zerbrochen waren. Heute wissen wir, dass
A. aegypti
gerne in den Pfützen brütet, die sich im Inneren weggeworfener Autoreifen bilden. Im 17 . und 18 . Jahrhundert gab es dafür die Zuckertöpfe. [258] McNeill weist darauf hin, dass in den Gefäßen sicherlich reichlich Zucker zurückblieb, eine willkommene Speise für die Bakterien, von denen sich die
A.-aegypti
-Larven ernährten. Zuckerplantagen waren die reinsten Gelbfieber-Fabriken.
Die europäischen Neuankömmlinge kannten diese Einzelheiten natürlich nicht, waren sich aber sehr wohl im Klaren darüber, dass die Karibik, wie der Historiker James L. A. Webb es kürzlich in einer Geschichte der Malaria formulierte, «eine tödliche Umwelt für Nichtimmune» war. [259]
Malaria verbreitete sich von der Karibik aus nach Südamerika und dann den Amazonas hinauf. Der Fluss ist voller Wirtsorganismen: In einer Untersuchung des Rio Madeira, eines wichtigen Nebenflusses des Amazonas, entdeckte man nicht weniger als neun Stechmückenarten der Gattung
Anopheles
, und alle waren sie Träger des Parasiten. Die ersten Europäer, die Amazonien erforschten, beschrieben es als eine blühende, gesunde Gegend; doch Malaria und, später, Gelbfieber verwandelten viele Flüsse in Todesfallen. Bis 1782 sabotierte der Parasit Expeditionen in das höher gelegene Stromgebiet. Zwei Jahrhunderte lang war die Krankheit ein sporadisch und verstreut auftretendes Phänomen: Große, durch Pocken und Sklaverei entvölkerte Teile Amazoniens hatten zu wenig Einwohner, um den Parasiten am Leben zu erhalten. Möglicherweise kam er häufiger an den westlichen Nebenflüssen wie dem Rio Madeira vor, weil dort weniger niederländische und portugiesische Sklavenraubzüge stattfanden und es daher mehr Menschen zu infizieren gab. Noch 1832 hätte die Malaria in der Madeira-Region den französischen Naturforscher Alcide d’Orbigny beinahe umgebracht, doch zehn Jahre später stieß der amerikanische Privatgelehrte William Henry Edwards an dem Fluss «nur auf einen Fall» von Malaria, obwohl er tagelang in der Nähe der Mündung zeltete. [260]
Viel schlimmer war es in der nordöstlichen Ausbuchtung Südamerikas, der Region, die die Geographin Susanna Hecht das karibische Amazonasgebiet nennt. Südlich durch den Amazonas in Brasilien und westlich durch den Orinoco in Venezuela begrenzt, war es ein wasserreiches Territorium, das die Arawak und die Kariben durch ein weitverzweigtes Netz von Deichen, Dämmen, Kanälen, Uferbefestigungen und Erdwällen unter Kontrolle brachten. Große Gebiete wurden für die Waldwirtschaft genutzt, besonders verbreitet waren Palmen, die in Tropenregionen Früchte, Öl, Stärke, Wein, Brennstoff und Baumaterial liefern. Unter den Palmen verstreut lagen Maniokfelder. Diese Landschaft aus Gärten, Obstplantagen und Wasserstraßen diente jahrhundertelang als Brücke zwischen dem Landesinneren und den Inseln. In der Regel werden solche komplexen Strukturen von starken, gut organisierten
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