Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
kürzerer Zeit reift als Gerste, Weizen und Hirse. Von den Portugiesen nach Macao eingeführt, wurde er als «Tributweizen», «Wickelkorn» und «Jadereis» bezeichnet. Süßkartoffeln wachsen überall dort, wo kein Mais angebaut werden kann – auf sehr sauren Böden mit wenig organischen Anteilen und Nährstoffen.
I. batatas
braucht nicht viel Licht, wie ein Landwirtschaftsreformer 1628 anmerkte. «Selbst auf tief gelegenen, schmalen und feuchten Feldern, wo die Erdschicht nur einen Fuß dick ist, kann man sie pflanzen, wenn man, nach oben blickend, den Himmel sieht.» [372]
Im Süden ernährten sich viele Bauern hauptsächlich von der Süßkartoffel: Süßkartoffeln gebacken und gekocht, Süßkartoffeln zu Mehl gemahlen und zu Nudeln verarbeitet, gestampft mit sauren Gurken, tiefgefroren mit Honig oder zusammen mit Steckrüben und Sojamilch als Gemüse, sogar Süßkartoffeln zu einer Art Wein vergoren. Im Westen Chinas dominierten Mais und ein weiterer amerikanischer Import: Kartoffeln, die ursprünglich in den Anden gezüchtet worden waren. Als der reisende französische Missionar Armand David in einer Hütte im entlegenen, zerklüfteten Shaanxi lebte, hätte sein Speiseplan, von einigen Beilagen abgesehen, gut ins Inkareich gepasst. «Die einzige Pflanze, die in der Nähe unserer Hütte angebaut wird, ist die Kartoffel», notierte er 1872 . «Maismehl und Kartoffeln sind die tägliche Speise der Bergbewohner; sie werden gewöhnlich gekocht und mit den Wurzelknollen vermischt gegessen.» [373]
Niemand wusste, wie viele Hüttenbewohner in den Hügeln lebten. Vielleicht in der Hoffnung, an einer Lösung des Problems vorbeizukommen, indem man darüber hinwegsah, wurden sie von den Qing-Beamten nicht in die Volkszählung aufgenommen. Doch alle Belege lassen darauf schließen, dass es nicht wenige waren. In Jiangxi, Fujians westlicher Nachbarschaft, vertrat der pedantische Schatzmeister der Provinz 1773 unnachgiebig die Auffassung, dass die Hüttenbewohner, von denen viele schon seit Jahrzehnten in Jiangxi lebten, als tatsächliche Einwohner der Provinz gezählt und deshalb in den Bericht für Peking aufgenommen werden müssten. Er schickte Volkszähler aus, die jeden Hakka-Kopf und jede Hakka-Hütte erfassten. In dem zerklüfteten Bezirk Ganxian kamen sie auf 58 340 sesshafte Einwohner, überwiegend in der Hauptstadt Ganzhou – und 274 280 Hüttenbewohner in den Hügeln der Umgebung. Dieses Bild wiederholte sich in einem Bezirk nach dem anderen, manchmal mit einigen Tausend Nichtsesshaften, manchmal mit 100 000 und mehr. Vom Staat nicht erfasst, hatten sich mehr als eine Million Hüttenbewohner brandrodend durch Jiangxi bewegt. Und das, wie dem Qing-Hof klar geworden sein dürfte, in einer Provinz von nur mittlerer Größe. [374]
Verknüpft mit dem Strom der Hüttenbewohner kam es zu einer zweiten, noch größeren Migrationswelle in den ausgedörrten, gebirgigen und dünn besiedelten Westen. In ihrem Bemühen um soziale Stabilität hatten die Ming den Menschen verboten, ihre Heimatregionen zu verlassen. Die Qing schlugen einen anderen Kurs ein und förderten eine Wanderbewegung nach Westen. Wie die USA im 19 . Jahrhundert ihre Bürger aufforderten, nach Westen zu ziehen, und Brasilien im 20 . Jahrhundert Anreize zur Besiedelung des Amazonasgebiets setzte, glaubten Chinas neue Herren, es sei für das Schicksal der Nation entscheidend, dass die leeren Räume gefüllt würden. «Leer» aus Sicht der Qing, denn in diesen Gebieten lebten Dutzende von nichtchinesischen Völkern: unter anderem Tibetaner, Yao, Uiguren, Miao. Indem die Qing Menschen aus den Zentren nach Westen schickten, gliederten sie diese zuvor autonomen Kulturen gewaltsam in die Nation ein. [24] Verlockt durch Steuervergünstigungen und billiges Land strömten die Migranten aus dem Osten in die westlichen Hügel. Die meisten Neuankömmlinge waren wie die Hüttenbewohner arme, politisch glücklose und von den städtischen Eliten verachtete Bevölkerungsgruppen. Sie betrachteten die verwitterte, felsige Landschaft, die sich so gar nicht für den Reisanbau eignete – und pflanzten amerikanische Nutzpflanzen. [375]
Chinas fünftgrößte Provinz ist Sichuan, sie grenzt an Tibet und ist fast ebenso gebirgig. Um 1795 war sie laut Lan Yong, einem Historiker an der Südwestuniversität Sichuan, eine weitläufige, dünn besiedelte Region – größer als Kalifornien, aber nur von neun Millionen Menschen bewohnt. Lediglich 6000 Quadratkilometer ihrer
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