Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
Umstellung auf eine neue Technik war ein entscheidender Grund für den nachfolgenden Wohlstand und die Vormachtstellung des chinesischen Reiches. [366]
Trotzdem war es ein Glück für Fujian, dass die Süßkartoffeln rechtzeitig eingeführt wurden. Kurz vor dem Sturz der Ming-Dynastie, der sich durch Jahrzehnte voller Gewalt und Chaos ankündigte, breitete sich die Pflanze in der Provinz aus. Die einfallenden Mandschu-Truppen eroberten Peking 1644 – der Beginn der Qing-Dynastie. Nachdem sich der letzte Ming-Kaiser erhängt hatte, stritten Thronprätendenten um die Führung des Rumpfstaats. Dieser hatte seinen Mittelpunkt ursprünglich in Fujian. In einem anarchischen Zwischenspiel spalteten sich Teile der Ming-Streitkräfte ab und wurden praktisch zu
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. Zwischenzeitlich machten sich die echten
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das Durcheinander zunutze. Um den Ming-
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jede Möglichkeit des Nachschubs zu nehmen, zwang das Qing-Heer die Bevölkerung der Regionen von Guangdong bis Shandong – der ganzen östlichen «Ausbauchung» Chinas, eines 4000 Kilometer langen Küstenstrichs – ins Landesinnere umzusiedeln. [367]
Ab 1652 drangen Soldaten in die Küstendörfer ein, brannten Häuser nieder, rissen Mauern ein und zerstörten Ahnenaltäre. Familien, die oft erst wenige Tage vorher davon erfahren hatten, wurden mit nichts als den Kleidern, die sie am Leibe trugen, evakuiert. Alle Schiffe in Privatbesitz wurden verbrannt oder versenkt. Wer blieb, wurde erschlagen. «In alle Richtungen fliehend, wurden wir zu Landstreichern», heißt es in einer fujianesischen Familiengeschichte. Die Menschen «liefen einfach in irgendeine Richtung, bis sie stehen blieben», meinte ein anderer. «Die Leute, die nicht starben, verstreuten sich über ferne und nahe Gegenden.» Drei Jahrzehnte lang blieb ein Küstenstreifen von achtzig Kilometern Tiefe vollkommen menschenleer. Es war eine Politik der verbrannten Erde, nur dass die Qing die Erde der Feinde verbrannten, nicht ihre eigene.
Für Fujian war die Evakuierung der Küste eine besonders strenge Version des Seehandelsverbots der Ming-Dynastie. In den 1630 er Jahren, bevor die politischen Umwälzungen und die Handelsverbote eintraten, waren jedes Jahr zwanzig oder mehr große Dschunken nach Manila gefahren, und jede hatte Hunderte von Händlern an Bord gehabt. Während der Evakuierung ging diese Zahl auf zwei oder drei zurück, die alle unerlaubterweise fuhren. [368] Wie die Handelsverbote der Ming spielten auch die Küstensäuberungen der Qing den
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in die Hände, die den Silberhandel übernahmen.
Vor allem ein Seeräuber beherrschte das Geschäft: Zheng Chenggong, im Westen als Koxinga bekannt; der Name ist eine Verballhornung eines chinesischen Ehrentitels. In Japan als Sohn einer japanischen Mutter und eines christlich-fujianesischen Vaters geboren, der ein bekannter Pirat war, hatte Zheng sein Leben damit verbracht, sich über die Ming-Gesetze hinwegzusetzen. Als die Qing kamen, wurde ihm klar, dass die
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leichteres Spiel mit den nachlässigen, korrupten Ming hatten. Er wurde Admiral im Rumpfstaat der Ming und führte einen gewaltigen seegestützten Angriff gegen die Qing, der die neuen Machthaber fast zu Fall gebracht hätte. Anschließend wandte er sich wieder der Seeräuberei zu und stellte eine Flotte auf – nach Schätzung eines Augenzeugen, eines Dominikanermissionars in Fujian, 15 000 bis 20 000 Schiffe und ein Heer von « 100 000 Männern in Waffen, den erforderlichen Seeleuten und 8000 Pferden». Von seinem Palast in Amoy, dem heutigen Xiamen, aus, einer Stadt, die Yueyang gegenüber auf einer Insel lag, beherrschte Zheng die gesamte Südostküste – ein wahrhafter Piratenkönig.
Ohne Alternative, baten Manilas Händler Zheng 1657 , ihr Silber zu kaufen. Als seine Schiffe im Hafen auftauchten, lebte der Galeonenhandel wieder auf. Möglicherweise abgelenkt durch die fortdauernden Kämpfe mit den Qing, brauchte Zheng länger als zu erwarten gewesen wäre, um zu erkennen, dass a) die Spanier auf den Philippinen außer ihm keine andere Bezugsquelle für Seide und Porzellan hatten und dass b) er, Zheng, ein Pirat mit einer großen Armee war. Erst 1662 entsandte er den Dominikanermissionar – in das prächtige Gewand eines kaiserlichen Emissärs gekleidet – mit einem Vorschlag zur Änderung der Handelsbedingungen nach Manila. Die Spanier sollten ihm wie bisher all ihr Silber überlassen. Im Gegenzug versprach Zheng, sie nicht umzubringen. Entsetzt beschloss der
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