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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
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wurden.
    Und je mehr Hüttenbewohner in die Berge zogen, desto häufiger wurden die Überschwemmungen. Während der Song-Dynastie ( 960 – 1279 ) kam es im Durchschnitt alle zwei Jahre zu drei größeren Überschwemmungen. Einige Bauern, viele von ihnen Hakka, zogen während der Ming-Dynastie ( 1368 – 1644 ) illegal in die Berge, wo sie den Baumbestand abholzten. Wie nicht anders zu erwarten, erhöhte sich daraufhin die Zahl der Überflutungen auf fast zwei pro Jahr. Die Qing ( 1644 – 1911 ) unternahmen allerlei Anstrengungen, um Menschen in den Bergwäldern anzusiedeln. So sicher wie das Amen in der Kirche führte der Migrationsanstieg zu einer verstärkten Entwaldung; die Überschwemmungsrate stieg auf mehr als das Dreifache an: über sechs größere Überschwemmungen pro Jahr. Schlimmer noch, die Überschwemmungen betrafen in erster Linie Chinas landwirtschaftliche Zentren. Bei der Durchsicht von privaten Tagebüchern, Bezirks-Gazetteers, Provinzarchiven und Berichten über kaiserliche Katastrophenhilfen fand der Historiker Li Xiangjun heraus, dass sich während der Qing-Dynastie 16 384 Überschwemmungen ereigneten. Die meisten waren geringfügig. Doch 13 537 davon trafen die fruchtbaren landwirtschaftlichen Gebiete des Unterlaufs von Jangtse und Huanghe. Und die Hochwasser nahmen weiter zu. Zwischen 1841 und 1911 sahen sich die Qing mit mehr als dreizehn großen Überschwemmungen pro Jahr konfrontiert – ein Katrina jeden Monat, wie ein Historiker zu mir meinte. «Die Regierung hatte ständige Katastrophen in den bevölkerungsreichsten Teilen des Reichs», sagte er, «den Gebieten, die für die Ernährung der Gesamtbevölkerung am wichtigsten waren. Ein schlimme Sache.» [393]
    In den 1970 er Jahren sah eine Forschungsgruppe im chinesischen Zentralbüro für Meteorologische Wissenschaft eine riesige Menge von regionalen Aufzeichnungen über die Niederschläge und Temperaturen der letzten Jahrhunderte durch. Wie zu erwarten, fanden die Forscher wenig wissenschaftliche Daten, aber viele Berichte. Wenn sie auf Sätze stießen wie «an zehn aufeinanderfolgenden Tagen starker Sommerregen, bis die Flüsse über die Ufer traten», «in Frühlings- und Sommerüberschwemmungen ertranken zahllose Menschen und Tiere», «Sommer- und Herbstüberschwemmungen spülten die Setzlinge der Getreidepflanzen fort», «mehrere Tage so starke Niederschläge, dass man mit Booten über Land fahren konnte» und «heftige Stürme und Regenfälle, dass Felder und Häuser überflutet wurden», dann schlossen die Forscher daraus, dass es dort eine Überschwemmung gegeben hatte, und kennzeichneten die Karte in dem betreffenden Gebiet mit einer 1 . Dort, wo es Berichte über schwere Trockenheit gab, trugen sie eine 5 ein. Verhältnisse zwischen diesen beiden Extremen kennzeichneten sie mit 2 , 3 oder 4 . Obwohl die daraus entwickelten Karten sehr subjektiv waren, offenbarte sich die Gesamtentwicklung eindeutig. Blättert man die Karten im Zentralbüro durch, meint man, den Trickfilm eines Umweltkollapses anzuschauen. [394]
    Überwältigt von der Detailfülle der Karten, beschloss ich, mich auf die vier Reiszentren am Unterlauf des Jangtse zu konzentrieren: die Städte Nanking, Anqing und Wuhan sowie den Oberlauf des Han, eines bedeutenden nördlichen Nebenflusses des Jangtse. Zwischen 1500 und 1550 wiesen diese Gebiete sechzehnmal die Bezeichnung « 1 S» auf: sechzehn große Überschwemmungen. Zwischen 1600 und 1650 waren es achtzehn – also ungefähr die gleiche Zahl. Zwischen 1700 und 1750 , auf der Höhe der Kleinen Eiszeit mit ihren kälteren, niederschlagsreicheren Wetterverhältnissen, kletterte die Zahl auf siebenundzwanzig. Als die Kleine Eiszeit endete, wurde das Wetter trockener, Schnee und Regen waren seltener. Doch die Zahl der « 1 S» in diesen Regionen des landwirtschaftlichen Kernlands stieg weiter an. Zwischen 1800 und 1850 gab es in den vier Gebieten allein zweiunddreißig große Überschwemmungen. Mehrere Male erstreckten sich die Fluten über Hunderte von Kilometern entlang des Flusses – die « 1 S»-Markierungen erfassten eine Stadt nach der anderen, und jedes Mal stand die Ziffer für Tausende von Opfern.

    Die Beamten in der Provinz Zhejiang waren angesichts der sich häufenden Probleme bestürzt und erklärten 1802 , die Regierung werde damit beginnen, die ungeliebten Hüttenbewohner «wieder in ihre Heimatorte zurückzuschicken». Außerdem verboten sie den Anbau von Mais in den Bergen. Es geschah so gut

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