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Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
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den Wiederaufbau aus eigener Kraft vollbringen – und gleichzeitig ein neueres, produktiveres Dorf schaffen. Tatsächlich kam es trotz der Überschwemmung und trotz des unfruchtbaren Bodens der Gegend zu einer Steigerung der Ernteerträge.
    Begeistert von diesem Erfolg ließ Mao Tausende örtlicher Funktionäre in das Dorf fahren und forderte sie auf, dem, was sie dort sahen, nachzueifern. Im Wesentlichen sahen die Besucher spatenschwingende Bauern, die die Hügel verbissen bearbeiteten, um sie von oben bis unten in Terrassen zu verwandeln; in den Pausen las man «Das kleine Rote Buch» mit den revolutionären Worten des Großen Vorsitzenden. Es wurde eine fast kultische Verehrung betrieben: Eine Gruppe wanderte zwei Wochen lang durchs Land, um die Schwielen in der Hand eines Arbeiters aus Dazhai zu betrachten. Die Funktionäre erfuhren, dass China auf jedem noch so kleinen Stück Land Getreide erzeugen müsse. Die in der maoistischen Volksrepublik allgegenwärtigen Parolen erklärten, wie das zu bewerkstelligen war:
    Tragt die Hügel ab, füllt die Wasserläufe, schafft Ebenen!
    Zerstört die Wälder, erschließt das Brachland!
    Die Landwirtschaft lernt von Dazhai!
    Angetrieben von dieser Erregung und den örtlichen Behörden, schwärmten die Dorfbewohner in die Berge aus, holzten die verkümmerten Bäume auf den Hängen ab, schlugen Erdterrassen in die Bergflanken und bepflanzten die derart geschaffenen ebenen Flächen mit allem, was sich anbauen ließ. Trotz Hitze und Hunger arbeiteten die Leute den ganzen Tag, dann zündeten sie Laternen an und arbeiteten auch noch bei Nacht. Die Terrassen verwandelten die landwirtschaftlich nicht nutzbaren steilen Hänge in neues Ackerland. [397] In einem Dorf, das ich besuchte, hatten die Bauern die Fläche bebaubaren Bodens um zwanzig Prozent erweitert – offenbar ein durchschnittlicher Wert. [398]
    Dazhai liegt auf einer geologischen Anomalie, die man als Lössplateau bezeichnet. Seit unvordenklichen Zeiten hat der Wind, aus den Wüsten im Westen kommend, Grit und Sand nach Zentralchina getragen. Dieser Jahrtausende währende Staubniederschlag hat die Region mit riesigen Haufen von Sedimenten bedeckt – Löss, wie die Geologen sagen –, die teilweise mehr als hundert Meter tief sind. Das Lössplateau ist ungefähr so groß wie Frankreich, Belgien und die Niederlande zusammen. [399]
    Löss bildet keinen festen Erdboden, sondern eher eine Masse, die wie nasser Schnee zusammenpappt. Seit Jahrhunderten graben die Bewohner des Plateaus Höhlen in den Löss und wohnen in ihnen.
Yaodong
, wie diese Höhlenbehausungen heißen, sind recht gemütlich – die, in der ich untergebracht war, hatte ein beheizbares Hochbett, das aus einem Lössblock geschnitten war. Der Rauch eines benachbarten Holzofens wurde im Winter zur Erwärmung des Bettes durch die darunter befindliche Plattform geleitet. Als ich in dieser Nacht die Wände des
yaodong
betrachtete, bemerkte ich, dass der Raum, wie eine wissenschaftliche Bohrprobe, die Bodenstruktur erkennen ließ. In der Regel besitzt der Boden drei Schichten: eine dünne Auflage aus Laub, Holzstücken und anderer organischer Streu, einen Streifen dunklen Oberboden, meist nicht mehr als dreißig Zentimeter tief und stark durchsetzt mit Humus – teilweise verwestem organischem Material –, darunter eine Schicht Unterboden, heller in der Färbung, aber reich an Eisen, Ton und Mineralien. Löss sieht anders aus: Die Wände meines Schlafzimmers, die in einen riesigen Haufen zusammenhaftender Sedimente gegraben waren, sahen von oben bis unten völlig gleich aus. [400]
    Wie jedes Kind, das im Matsch spielt, weiß, werden Erdhaufen leicht fortgespült. Schlammkörner «verhalten sich wie einzelne Teilchen», sagte Zheng Fenli, ein Bodenkundler vom Institut für Boden- und Wassererhaltung in Yangling, der Großstadt auf dem Lössplateau. Sie klumpen nicht fest zusammen. Wenn Schlammteilchen von fließendem Wasser mitgerissen werden, so Zheng, «sind sie sehr leicht zu transportieren». Werden sie von steilen Hügeln hinuntergespült, können sie große Entfernungen zurücklegen. Der Huanghe durchquert das Lössplateau in einer großen Schleife. Er führt eine enorme Schlammlast mit sich – mehr als irgendein anderer Fluss in der Welt – und trägt sie in die Nordchinesische Ebene, Chinas landwirtschaftliches Kernland.
    Da die Ebene flach ist, wird die Strömung des Flusses langsamer. Die Sinkstoffe setzen sich am Grund und den Ufern des

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