Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
wie nichts. 1824 unternahmen die Beamten einen erneuten Versuch und erließen ein strenges Verbot dieser Pflanzenart, sodass Zhejiang zur maisfreien Zone hätte werden müssen. Abermals geschah gar nichts. Die kaiserliche Regierung hatte ein Netz von «Zensoren» damit betraut, Unfähigkeit und Korruption auszumerzen. Wiederholt forderten Zhejiangs Zensoren Peking auf, Truppen zu entsenden, um den Mais ausreißen zu lassen. Sie erhielten keine Antwort. Stattdessen trat eines jener Phänomene ein, die uns an der Menschheit und ihrer Fähigkeit, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, zweifeln lassen: Anfang des 19 . Jahrhunderts beschleunigte sich die Abholzung der Bergregionen noch einmal.
Zhejiangs Zensor Wang Yuanfang konnte es nicht verstehen. Früher hatten die Grundbesitzer nicht verstanden, dass die Verpachtung ihrer ungenutzten Ländereien im Hochland katastrophale Folgen hatte, er wusste das.
«Heute
[ 1850 ]
sind die Wasserstraßen mit Schlamm gefüllt, die Felder unter Sand vergraben, offenbaren die Berge ihre Steine, wissen die Beamten und die Menschen um die große Katastrophe, aber niemand unternimmt etwas dagegen. Warum
?
»
(Hervorhebung im Original.) [395]
Teilweise lag dieses Versäumnis an einem Problem, das mit der massenhaften illegalen Einwanderung zusammenhing. Es ist nicht leicht, riesige Bevölkerungsgruppen zu deportieren – sie gewaltsam aus den über Jahre entstandenen Häusern und Familien zu reißen –, ohne großes Leid über sie zu bringen. Regierungen, die um Unterstützung in der Bevölkerung bemüht sind, scheuen solche Maßnahmen – es sei denn, der Popularitätsverlust in der einen Gruppe wird durch die verstärkte Anerkennung einer anderen wettgemacht. Es stellt sich auch ein logistisches Problem: Wo soll man Menschen hinbringen, die ihre ursprüngliche Heimat schon Jahrzehnte zuvor verlassen haben? Im Falle der Hüttenbewohner war nach Osbornes Auffassung weder Zögerlichkeit noch Ratlosigkeit aufseiten der Regierung das Haupthindernis. Vielmehr stellte die Erosion ein klassisches Problem des kollektiven Handelns dar. Eine Gesetzeslücke sorgte dafür, dass Pachteinnahmen, im Gegensatz zu Einnahmen aus der Landwirtschaft, steuerfrei waren. Grundbesitzer, die Land in den Bergen verpachteten, hatten daher eine schöne Quelle für steuerfreies Einkommen. Die daraus resultierende Entwaldung konnte zwar ihre eigenen Felder in den Tälern verwüsten, aber die Risiken verteilten sich auf eine ganze Region, während die Gewinne aus den Verpachtungen den Grundbesitzern alleine zugutekamen. Da sie auf diese Weise den ganzen Profit einstrichen und nur einen Teil der Nachteile ertrugen, machten die lokalen Interessen alle Versuche zunichte, die Hüttenbewohner in die Schranken zu weisen.
Wie im Albtraum eines Umweltschützers schuf das kurzsichtige Streben nach begrenztem Profit die Voraussetzungen für eine langfristige, weiträumige Katastrophe. Ständige Überschwemmungen führten zu ständigen Hungersnöten und Unruhen; die Beseitigung der Schäden erschöpfte die Mittel des Staates. Das amerikanische Silber dürfte die Ming endgültig ruiniert haben; die amerikanischen Pflanzen nahmen der wankenden Qing-Dynastie den letzten Halt. [396]
Natürlich spielten auch andere Faktoren eine Rolle. Eine Rebellion unter Führung eines Mystikers spaltete die Hakka von der Nation und führte zur Gründung eines temporären Staates der Hüttenbewohner in den Hakka-Bergen im Südosten. Mehrere schwache Kaiser in Folge ließen Untätigkeit und Korruption der Beamtenschaft freien Lauf. Das Reich verlor zwei Kriege gegen Großbritannien und sah sich gezwungen, die Kontrolle seiner Grenzen preiszugeben. Ungehindert verbreiteten die britischen Streitkräfte das Opium, das die Regierung mit allen Mitteln bekämpft hatte. Und so fort, die Katastrophe hat – wie der Erfolg – viele Väter. Was die einfallenden europäischen Armeen jedoch nicht wussten – ihnen hatte der kolumbische Austausch den Weg gebahnt.
Zur Nachahmung nicht empfohlen: Dazhai
Zwei Generationen lang war Dazhai einer der meistgerühmten Orte Chinas. Das Dorf mit einigen hundert Einwohnern in den trockenen, dicht zusammengedrängten Hügeln im Norden Zentralchinas war 1963 von Überschwemmungen verwüstet worden. Inmitten der Trümmer stehend, das unverkennbare, schweißabsorbierende Handtuch um den Kopf geschlungen, lehnte der örtliche Parteisekretär jede staatliche Hilfe ab und versprach stattdessen, Dazhai werde
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