Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)

Titel: Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles C. Mann
Vom Netzwerk:
Flusses ab. Der Schlamm bereichert den Boden – ein Hauptgrund für die landwirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Gebietes –, aber erhöht auch das Flussbett. Infolgedessen wächst der Huanghe jedes Jahr um drei bis acht Zentimeter. Im Laufe der Zeit hat er sich fast fünfzehn Meter über das umgebende Land erhoben. Wenn die Bauern bei der Ernte auf ihren Weizenfeldern den Fluss sehen wollen, müssen sie nach oben blicken. Dort in der Höhe droht er immer über die Ufer zu treten und in der Nordchinesischen Ebene eine schlimme Überschwemmung anzurichten. [401]
    Seit Jahrtausenden sind solche Katastrophen eine stete Gefahr – «zwei Dammbrüche alle drei Jahre und eine Flussbettveränderung jedes Jahrhundert», pflegten die Chinesen vom Huanghe zu sagen. Doch im 18 . und 19 . Jahrhundert wurden die Dammbrüche und Flussbettveränderungen mit dem Fortschreiten der Erosion mörderischer. Um Abhilfe zu schaffen, stellten die Qing ein Pionierkorps auf, das die Einrichtungen zur Eindämmung der Fluten betreute: eine achthundert Kilometer lange Deichlinie, ein Netz von Abflussgräben, Schleusen und Dämmen sowie sechzehn Hilfskanäle, in die der Fluss umgeleitet werden konnte – eine hydraulische Infrastruktur, die mindestens so eindrucksvoll war wie die Chinesische Mauer und sicherlich wichtiger für das Leben der Nation. Das System versorgte nicht nur ein ungeheuer komplexes Bewässerungsnetz, es schloss auch den Fluss an den Großen Kanal an, eine mehr als 1800 Kilometer lange Verbindung zwischen Peking und Hangzhou, einem Hafen im Süden des heutigen Schanghai, die damit die längste künstliche Wasserstraße der Welt ist. Die Qing-Herrscher dürften zehn Prozent des kaiserlichen Haushalts oder mehr auf den Huanghe verwandt haben. [402]
    Trotzdem war das System ständig überlastet. Wie die Karten im chinesischen Wetteramt zeigen, ließen zusätzliche Schlammmassen zwischen 1780 und 1850 den Fluss ein Dutzend Mal über die Ufer treten – etwa alle sechs Jahre. Eine Überflutung im Jahr 1887 gehört zu den tödlichsten jemals dokumentierten Überschwemmungen; man schätzt die Zahl der Opfer auf bis zu eine Million. [403]
    Der Grund für die Überschwemmungen – Entwaldung auf dem Lössplateau – war wohlbekannt. Doch Peking tat wenig dagegen, obwohl die Abholzung nicht zuletzt aus politischen Maßnahmen der Qing resultierte und die Überschwemmungen die kaiserliche Macht schwächten. Dabei war die Untätigkeit der Regierung keineswegs zwangsläufig. So wenig wie die Kurzsichtigkeit der Grundbesitzer, die das Hochland an die Hüttenbewohner verpachteten. Niemand wird jemals wissen, ob entschlossenes Handeln die ökologischen Probleme des Landes hätte lösen können, weil es nie versucht wurde. Stattdessen dauerten die Überschwemmungen an, bis die Dynastie unterging, ein Ereignis, an dem die Hochwasserkatastrophen durchaus mitgewirkt hatten.
    All das lässt noch unverständlicher erscheinen, dass Mao Zedong weitere Rodungen auf dem Lössplateau anordnete. Der größte Teil der Region war bereits abgeholzt, aber die steilsten Hänge – zu abschüssig für die landwirtschaftliche Nutzung – waren immer noch mit Buschwerk bewachsen, das die Erosion verhinderte. Genau diese Flächen wurden in den sechziger und siebziger Jahren dazu ausersehen, in Terrassen umgewandelt zu werden, wie es in Dazhai vorgemacht worden war. Ständig zerfielen die Wände, die nur aus zusammengepresster Erde bestanden; in einem Dorf auf dem Lössplateau, das ich nach einem Regen besichtigte, schien die halbe Bevölkerung damit beschäftigt, die abbröckelnden Terrassen zu befestigen, indem sie die Wände mit Schaufeln festklopfte. Selbst wenn die Terrassen nicht einstürzten, spülte der Regen die Nährstoffe und organischen Bestandteile des Bodens davon. Das Dorf Zuitou ist in die schroffen Hügel eingebettet, die sich am Huanghe entlangziehen. Als ich über die steilen Pfade zwischen den
yaodong
lief, konnte ich fast sehen, wie die Terrassen ins Wasser rutschten.
    Da die Erosion dem Boden die Nährstoffe entzog, gingen die Ernteerträge auf dem neu bepflanzten Land schnell zurück. Um das auszugleichen, rodeten und terrassierten die Bauern neues Land, das dann seinerseits fortgewaschen wurde – ein anschauliches Beispiel für einen «Teufelskreis», wie Vaclav Smil findet, ein Geograf von der University of Manitoba, der sich seit langem mit Chinas Umwelt beschäftigt; sein erstes Buch über das Thema,
The Bad Earth
,

Weitere Kostenlose Bücher