Kolumbus' Erbe: Wie Menschen, Tiere, Pflanzen die Ozeane überquerten und die Welt von heute schufen (German Edition)
Arbeit wie Reis, war aber viel einträglicher; Chinas wachsende Schar von Nikotinabhängigen war bereit, mehr für die Pfeifen als fürs Essen zu bezahlen. Manche pflegten gar eine doppelte Sucht: Sie mischten den Tabak mit Opium. Laut Tao Weining, einem Agrarhistoriker in Guangdong, tauchte Tabak in jedem Winkel Chinas auf. Besonders stark war er in zwei typischen Hügelregionen vertreten, die Tao untersuchte: «Fast die Hälfte» des gesamten Ackerlands war
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vorbehalten. Infolgedessen verdoppelte sich der örtliche Reispreis, genauso wie der Preis für die häufigsten Gemüse- und Obstsorten. So mussten die Bauern schließlich ihre Gewinne aus dem Tabakanbau für Lebensmittel ausgeben, die teuer aus anderen Landesteilen Chinas eingeführt wurden. Wie in Virginia laugte der Tabak das Erdreich aus. Wenn die Bauern den Boden eines ehemaligen Reisfelds erschöpft hatten, wandten sie sich dem nächsten zu. Und gab es keine Reisfelder mehr, gingen sie in die Berge. [387]
Das gleiche Phänomen lässt sich noch heute beobachten. Als ich mit zwei Freunden die Tulou in Fujian besichtigte, gingen wir um das Bergdorf Yongding herum. Generationen zuvor hatten die Vorfahren der Dorfbewohner kleine, halbkreisförmige Terrassen aus den Hängen gehackt, die dünne, rote Erde mit Mist und Fäkalien gedüngt und die Felder mit Wasser gefüllt, indem sie Bergbäche umleiteten. Am Dorfrand verkündete ein Schild, dass China-Tabak, ein staatlicher Monopolbetrieb, mit Yongdings Bauern die Umwandlung ihrer Reis- in Tabakfelder vertraglich vereinbart habe. Das Unternehmen hatte eine neue Straße zur Erleichterung der Erntearbeiten gebaut. Von oben auf die Terrassen hinabblickend, sahen wir weite horizontale Bögen fleischiger grüner Pfeile emporragen:
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Selbst vier Jahrhunderte nach seiner Einführung ist der Tabak in China so gewinnträchtig geblieben, dass die Bauern ihre Reisfelder noch immer in Anbauflächen für Tabak umwandeln. Hier sind fujianesische Bauern im Jahr 2009 damit beschäftigt, Tabak zu trocknen.
In Yongding hatten die Dorfbewohner den verlorenen Reis teilweise durch Mais ersetzt, indem sie überall, wo sich ein Fleckchen passendes Land fand, ein paar Pflanzen in den Boden steckten: in Straßengräben, Hinterhöfen, an den Wänden der Abwasserkanäle hinter den Häusern. Jemand hatte seine Maissetzlinge sogar in einen Haufen Erde und Geröll gesteckt, den vor kurzem ein Erdrutsch zurückgelassen hatte. Im 18 . Jahrhundert war das Gleiche in ganz China geschehen. Zwischen 1700 und 1850 sorgten Hüttenbewohner und Migranten, die Mais und Süßkartoffeln in jede Ecke und Spalte quetschten, fast für eine Verdreifachung der landwirtschaftlichen Nutzfläche. [388] Um das erforderliche Ackerland zu schaffen, holzten sie jahrhundertealte Wälder ab. Ohne den Schutz der Bäume konnten die Hänge kein Regenwasser mehr halten. Die Nährstoffe im Boden wurden die Hügel hinabgespült. Schließlich ließen sich auf dem erschöpften Boden noch nicht einmal mehr Mais und Süßkartoffeln anbauen. Die Bauern rodeten noch mehr Waldflächen, und der Kreislauf begann von neuem. [25] [389]
Einige der schlimmsten Umweltschäden wurden in den steilen, unwirtlichen Hügeln im Osten Zentralchinas, der Heimat der Hüttenbewohner, angerichtet. Charakteristisch für diese Gegend sind die schweren, ergiebigen Regenfälle, die ständig mineralische und organische Bestandteile aus dem Boden spülen. Das ausgelaugte Erdreich kann kein Wasser halten – «wenn es zehn Tage lang nicht regnet», meinte ein einheimischer Autor 1607 , «wird das Land trocken und verbrannt und bricht in Mustern auf, die an die Linien auf einem Schildkrötenpanzer erinnern». Das Land war insofern kultivierbar, als sich darauf Mais und Süßkartoffeln anbauen ließen. Doch mehr als ein oder zwei Erntezeiten waren kaum möglich ohne das Einbringen von großen Mengen Kalk oder Asche zur Verringerung der Azidität des Bodens, von Mist, um den Anteil organischer Bestandteile zu erhöhen, und von Dünger, um den Stickstoff- und Phosphoranteil zu vermehren. Das musste jedes Jahr geschehen, weil der Regen die Nährstoffe immer wieder aus dem Erdreich wusch.
Wie berichtet, pachteten die Hüttenbewohner ihr Land von den Grundeigentümern in den Tälern. Da die Pacht auf kurze, festgelegte Zeiträume begrenzt war, gab es für sie keinen Anreiz zu düngen, abgesehen davon, dass sie auch kaum die Mittel dazu hatten, selbst wenn sie es gewollt hätten. Da
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