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Kolumbus kam als Letzter

Kolumbus kam als Letzter

Titel: Kolumbus kam als Letzter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Joachim Zillmer
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des
    Geistes und ohne hegemoniale Ansprüche die kulturelle Entwick-
    lung des Abendlandes in so umfassender Form dominiert wie die
    Iren. … In seiner Blütezeit erstreckte sich der Einfluss des irischen Geistes von Island bis Tarent, von Kiew bis zur sagenumwobenen
    Insel des heiligen Brendan« (zitiert in: Meyer-Sickendiek, 2000, S.
    328). Wie weit die iro-schottischen Wandermönche missionierten,
    erkennt man an der Gründung eines Klosters in Kiew (Ukraine).
    War alles ganz anders? Das Christentum schwappte über Europa
    hinweg, vielleicht aus Äthiopien (koptisches Christentum) über Alexandria und über Konstantinopel kommend. »Noch bevor sich
    dort eine unabhängige Mönchskirche entwickelte, muss das kopti-
    sche Taukreuz, aus dem Anch (auch: Ankh, HJZ), dem pharao-
    nischen Heils- und Lebenszeichen, hervorgegangen, nach Irland
    gelangt sein. Sogar auf Tory, einer schier unbewohnbaren Insel vor
    der Nordküste der Grafschaft Donegal … ragt eine dieser fremd-

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    Abb. 21: Christliche Symbole. Bild 1: Fackelträger in Copan (Honduras).
    Bild 2: Die Fackel angeblich mit Symbol des Blitzes (= Taukreuz?).
    Bild 3: Das koptische T-(Tau)-Kreuz auf Tory Island (Irland) als Überbleibsel einer irischen Klostergründung. Bild 4: Eine in Trendgärden (Jütland) gefundene Specksteingussform aus dem 10. Jh. für Kreuze und Thors Hammer (Dänisches Nationalmuseum, Kopenhagen).

    artigen Kreuzformen über den Atlantik auf« (Meyer-Sickendiek,
    2000, S. 54).
    Der Einfluss und die Ausbreitung des jüdischen und koptischen
    Glaubens, die dem keltischen Christentum beziehungsweise Arianis-
    mus von der Geisteshahung her ähnlich sind und später mit dem neu
    installierten katholischen Glauben konkurrierten, ist nicht zu un-
    terschätzen. Die fürchterlichen Judenpogrome anlässlich des ersten
    Kreuzzugs sind daher keine Aktionen in der Verantwortung einzel-
    ner Fanatiker, sondern Teil einer gezielt geplanten Strategie.
    In ganz Europa und darüber hinaus gab es vor dem römisch-katho-
    lischen Glauben eine Reihe spätantiker religiöser Bewegungen, die
    unter der Bezeichnung Gnostizismus zusammenfasst werden. Für die Gnostiker ist die Interpretation der menschlichen Existenz im
    Rahmen einer mythisch geschauten streng dualistischen Kosmolo-
    gie definiert: Mensch und Kosmos enthalten Teile einer jenseitigen

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    (guten) Lichtwelt, die aus der gottfeindlichen (bösen) Materie erlöst werden müssen. Diese Erlösung geschieht durch Gesandte des
    Lichts (u. a. durch Christus). Sie ist abgestuft, sodass zur vollen Erkenntnis (Gnosis) nur gelangt, wer den Geist besitzt. Andere bleiben auf der niederen Stufe des Glaubens.
    Man erkennt die Verehrung von Gott als (Natur-)Prinzip wieder.
    Die Druiden (weise Männer) als geistige Oberschicht der Kelten
    nahmen die neuen christlichen Ideen freundlich auf, und das Drui-
    dentum »ging mit ihm eine Symbiose ein. Märtyrer gab es in Irland
    nicht. Uralte Kulte, wie die Wasserverehrung und die Rundprozes-
    sionen um Steinkreise und Stelen in Sonnendrehung, wurden über-
    nommen. Das druidische heliozentrische Weltsystem blieb in an-
    verwandter Form erhalten« (Meyer-Sickendiek, 2000, S. 51).
    Es ist zu vermuten, dass die zahlreichen aufrecht stehenden Ogham Stones (gallans) schon erste Hinweise auf christliche Einflüsse enthalten, bevor nach der Christianisierung hinzugefügte Kreuze ihren
    heidnischen Charakter gleichsam neutralisieren. Die nach dem
    keltischen Gott des Schreibens – Ogmios – genannte Ogham-Be-
    schriftung bezeugt zusammen mit den Kreuzzeichen ein friedliches
    Neben- und Miteinander des alten heidnischen und des neuen
    christlichen – nicht des katholischen – Glaubens.
    Nachdem der Gnostizismus Ende des 3. Jhs. bis nach Persien und Indien vorgedrungen war und zu Beginn des 4. Jhs. die Britischen
    Inseln erreicht hatte, missionierten die iro-schottischen Wander-
    mönche ab dem 6. Jh. (oZ) den europäischen Kontinent.

    Abb. 22: Tänze. Der erste wissen-
    schaftliche Bericht aus dem Jahre
    1590 stammt von Thomas Har-
    riot und beschreibt Rundpro-
    zessionen nordamerikanischer
    Indianer um in die Erde gesteckte
    Pfähle, die einen Kreis bilden und
    wie verhüllte Nonnenhäupter
    gestaltet sind. Kupferstich von
    Theodor de Brys nach dem Ori-
    ginal von John Whites.

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    Der Wirkungskreis iro-schottischer Missionen in Europa kristalli-
    sierte sich um altkeltische Siedlungsgebiete aus, ohne diese zu be-
    gründen. Sie errichteten viele Zentren der

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