Kolumbus kam als Letzter
dieser Zeit ja in Frankreich residierte, denn der Templerorden war reich und übte Macht nicht nur in ganz Europa aus. Es ist durchaus möglich, dass die Flotte der Templer die
Küsten von Nord- bis Südamerika anliefen und mit dem dort ge-
wonnenen Silber und Gold ihre hochfliegenden Pläne und die Fi-
nanzierung der gotischen Kirchen verwirklichten.
Normannischer Baustil
Nachdem die Normannen (Wikinger) 1016 nach Unteritalien kamen
und unter Robert Guiscard 1057-85 die Reste des byzantinischen
sowie langobardischen (= germanischen) Besitzes in Unteritalien er-
oberten, vertrieb Roberts Bruder Roger I. 1061-1091 die Sarazenen
aus Sizilien und begründete einen sizilianisch-süditalienischen Nor-
mannenstaat. Roger II. (1095-1154) vereinigte im Jahre 1130 Süd-
italien (Königreich Neapel, Kalabrien, Apulien) und Sizilien zum
Königreich Sizilien, das ungefähr dem Herrschaftsgebiet der ehe-
maligen griechischen Kolonie Großgriechenland entsprach. Es
wurde ein Normannenstaat als Erbmonarchie mit autokratisch-be-
amtenstaatlicher Organisation begründet. Roger II. erhielt das volle Investiturrecht und machte seinen Staat zu einem wirtschaftlichen,
kulturell-geistigen und politischen Zentrum des Mittelmeerraumes.
Die Wikinger vertrieben die Byzantiner nicht nur aus Süditalien,
sondern die normannische Flotte konnte der byzantinischen er-
folgreich entgegentreten und wandte sich 1147 gegen Byzanz. Die
Normannen eroberten Dalmatien, verwüsteten ganz Griechenland
und besetzten Korfu. Roger II. dehnte 1147-1154 die Normannen-
herrschaft über Nordafrika – von Marokko bis Libyen – aus.
Im Jahre 1194 ging dieser Staat durch die Krönung von Kaiser
Heinrich VI. zum König von Sizilien an die Staufer über, denn er
hatte Konstanze, die Tochter und normannische Erbin von Roger II.
im Jahre 1186 geheiratet.
Der Einfluss der Normannen, die ja auch seit 911 fest in der Nor-
mandie saßen und 1066 England eroberten, auf die europäische Ge-
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schichte wird allgemein unterschätzt. Bei ihrer Ankunft in Sizilien
mussten die zahlreichen glänzenden Bauwerke der Moslems mit
der blendenden Pracht ihrer, den orientalischen, insbesondere ägyp-
tischen Moscheen und Palästen nachgeahmten islamischen Gottes-
häuser und Villen sowie die griechischen Bauten, einen mächtigen
Eindruck auf die Normannen ausgeübt haben:
Nicht minder »bemerklich als die Einwirkung der genannten Mus-
ter macht sich diejenige des germanischen Stils, obgleich dieser
gegen Ende des 12. Jhs., welches die Blütezeit der normannischen
Architektur bildet, sich – wenn auch seinen ersten Anfängen nach –
in Frankreich und besonders in der Normandie … zu zeigen be-
gonnen hatte. Der Spitzbogen kommt zwar in manchen Kapellen
und Kirchen dieser Zeit auf Sizilien vor. Indessen scheint derselbe
hier arabischen Ursprungs zu sein. Nicht der Spitzbogen ist es,
welcher das Wesentliche des germanischen Stils ausmacht; das
Charakteristische des letzteren beruht vielmehr auf der Leichtigkeit der Gewölbe, die hoch in den Lüften schweben und doch von
Säulen getragen werden, welche im Vergleich zu den schweren und
massenhaften der vorgermanischen Architektur nur schwach sind,
und dieses charakteristische Kennzeichen findet sich in keiner der
Kirchen der Normannen auf der südlichen Insel« (Schack, 1889, S.
244).
Im germanisch-normannischen Baustil liegt scheinbar die Geburt
des gotischen Baustils. Muss man nicht bisher kaum beachtete
Parallelen oder besser gesagt, eine kontinuierliche Entwicklung von
den Normannen bis hin zum Verbot des Templerordens erkennen?
Dieser Bruch in der Geschichte Mitteleuropas war signifikant mit
dem fulminanten Aufstieg der katholischen Kirche in Avignon ver-
bunden.
Die Normannen bauten in Sizilien Kirchen, deren normannische
Architektur der altchristlichen Basilika entspricht: Über den Säulen erheben sich Spitzbögen, über der Decke byzantinische Kuppeln;
die Hauptkuppel (oder mehrere) steigt über der Durchschneidung
von Mittel- und Querschiff empor.
Im Herrschaftsgebiet der Normannen wurde romanischer Kirchen-
bau entwickelt, der die Elemente des gotischen Kathedralbaus in 143
Frankreich (Abteikirche von Jumièges, 1040-1067, heute Ruine,
Saint-Étienne, 1065-1081, und Sainte-Trinité, 1059 ff., in Caen),
auch in England (Abteikirche in Saint Albans, 1077-1088,
Kathedralen von Ely, 1090ff., Durham, 1093ff., und Peterborough,
1118ff.) sowie im normannischen
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