Kolumbus kam als Letzter
Religion und der Wissen-
schaft in weiten Teilen Europas. Im 6. und 7. Jh. wurden Klöster
errichtet: in der Schweiz (Sankt Gallen), in Süditalien (San Ca-
taldo), Österreich (Sankt Koloman) und Franken (Sankt Kilian). Sie
entwickelten sich zu geistigen, philosophischen und kulturellen
Zentren, die auch von Königen geschätzt wurden. Ein fränkischer
Beobachter glaubte den Eindruck zu haben, »als ob fast ganz Irland
mit einer Schar von Philosophen in unser Land gekommen sei«.
Der keltischen Praxis entsprechend, missionierte Willibrord mit
Hilfe von Wanderbischöfen um 700 bei den Friesen und Dänen.
Auch in Schweden und Norwegen wurde missioniert, wodurch die
enge Verbindung mit dem Christentum in England zu erklären ist.
Noch im 12. Jh. entstanden die Schottenklöster Würzburg (1134),
Nürnberg (1140), Wien (1155), Eichstätt (1160) sowie weitere Ab-
leger des Regensburger Mutterhauses in Memmingen, Konstanz,
Kehlheim und Erfurt. Das 250 Jahre lang mit iro-schottischen
Mönchen besetzte Schottenkloster in Wien steht auf dem Fryung
genannten Platz, dessen Name an die dem Kloster bis 1775 zuer-
kannten Privilegien, wie das Asylrecht (Freistatt), erinnert.
In der Schottenkirche St. Jakob in Regensburg gibt es eine aus dem
13. Jh. stammende Grabplatte, die einen bärtigen Pilger mit dem
Krummstab (Cambutta) in der Hand zeigt, den die iro-schottischen
Mönche von den Druiden übernommen haben. Die im Volksmund
Schottenportal genannte Skulpturenwand an der Nordseite der
1150-1195 an der Stelle des Erstbaus errichteten St. Jakobskirche
gibt immer noch Rätsel auf, da der Sinn der Skulpturen noch nicht
entschlüsselt werden konnte.
Interessant ist, dass nicht nur diese Kirche normannische und lom-
bardische Bauformen an Türmen und Nebenapsiden aufweist, die
übernommen wurden. In diesem Zusammenhang ist das mit dem
Erscheinen des Templerordens plötzliche Aufkommen der goti-
schen Kirchen zu sehen, die nach den romanischen errichtet wur-
den. Dieser romanische Baustil war von den Normannen vom 11.
bis 13. Jh. (= Romanik) aus dem Mittelmeerraum nach Mitteleu-
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ropa importiert worden. Welche bisher nicht aufgedeckte Verbin-
dung besteht zwischen Normannen (= Nordmänner, ein anderer
Name für Wikinger) und Templern überhaupt?
1066 wurde der normannische Herzog Wilhelm II. König von Eng-
land, und das normannische Königreich Sizilien (mit Süditalien)
ging 1194 als Erbschaft an die Staufer über. Die griechische
Kolonie Großgriechenland in Italien war also spätestens seit kurz
nach der Jahrtausendwende in nordischer Hand. Schöpfte der 1119
gegründete Templerorden sein Wissen über die Seefahrt sowie
seinen Besitz von Land- und Seekarten aus traditionsreichen nor-
mannischen Quellen, die wiederum ihr altes Wissen in Bezug auf
Architektur und Seefahrt aus arabischen (phönizischen?) und by-
zantinischen Quellen bereicherten? Ging ein Teil der Normannen,
ja sogar seine auf hoher See erfahrenen Seeleute im Templerorden
auf? Beide Gruppen hingen auf jeden Fall dem christlich-heid-
nischen Freiden-kertum und nicht dem römisch-katholischen
Glauben an. Ist es purer Zufall, dass die Gründungsmitglieder des
Templerordens aus der Normandie stammten? Genau in jenem
Gebiet herrschten die Wikinger seit dem Jahr 911.
Es scheint, dass Europa den Templern die gotische Bauweise zu
verdanken hat, die urplötzlich vollständig entwickelt und perfek-
tioniert auftauchte. Hierfür spricht neben der Tatsache, dass in Rom zu dieser Zeit keine gotischen Kirchen gebaut wurden, die zeitliche
Abfolge mit der Gründung des Ordens und der zeitlich nachfolgend
erschaffenen gotischen Kirchen. Das zentrale Stilelement der Rip-
penbögen taucht zum ersten Mal um 1130 im östlichen Frankreich
auf. Allein zwischen 1140 und 1277 organisierten und vor allem
finanzierten die Templer über zwei Dutzend Großbaustellen (vgl.
Charpentier, 1986, S. 192). Die wundervollen gotischen Abtei-
kirchen des 12. Jhs., wie Saint-Denis (1137-1144), Bourges um
1195, Chartres nach 1194, Reims ab 1211 und Amiens ab 1220
vollendeten die Auflösung der Wände mit dynamisch gen Himmel
strebenden Pfeilern, die einer ans Mystische grenzenden Hinwen-
dung zu Gott Ausdruck verleihen.
Die Verhaftung der französischen Templer 1307 und die Aufhe-
bung des Ordens durch Papst Klemens V. im Jahre 1312 ist meiner
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Ansicht nach mit dem beginnenden Aufstreben der päpstlichen
Kirche zu sehen, die zu
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