Kolumbus kam als Letzter
Glaube?
Vorkatholische Missionierung
Falls die Überlieferungen stimmen und der irische Missionar Co-
lumban (543-615) Franken bereits mit Klostergründungen überzo-
gen hatte, ist die iro-schottische Missionierung in einem ganz ande-
ren Licht zu sehen. Die Geisteshaltung der christlichen Freidenker,
Juden und Kopten wucherte wie ein Krebsgeschwür und durch-
drang netzwerkartig die Glaubenswelt der keltogermanischen Ur-
bevölkerung. Es gab keine Glaubenskriege. Die Wandermönche hatten keine weltlichen Ansprüche und lebten aus Überzeugung in
Enthaltsamkeit. Vorgelebtes Christentum beeindruckte die Bevöl-
kerung. Dieses regional sehr unterschiedlich stark ausgebildete
Netzwerk des urchristlichen Glaubens verbreitete sich in allen Ge-
bieten von Indien über Persien bis zur atlantischen Küste der Iberi-
schen Halbinsel. Zu dieser Zeit bis zum Ende des 11. Jhs. gab es
fast keine erkennbare Spur einer katholischen Kirche.
Europa wurde mit der Ausweitung des Machtstrebens und des uni-
versellen Glaubensanspruchs der Papstkirche frühestens ab dem
Ende des 12. Jhs. zum zweiten Mal christianisiert. Diesmal geschah
dies aber nicht auf friedliche Art und Weise, sondern durch fürch-
terliche Kriege mit Feuer und Schwert. Für die weltlich pompös
auftretenden Kleriker war es nicht möglich, die in der Bevölkerung
verwurzelten iro-schottischen Mönche – oder solche anderer
christlicher Glaubensrichtungen – zu vertreiben. In der ersten Zeit
benutzte man diese frommen Leute, indem man den Orden der Be-
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nediktiner gründet, die iro-schottischen Klöster unterwanderte und
dann auch eigene Gründungen vornahm, die wie einsame Stütz-
punkte in Feindesland ausgestattet waren. Es handelt sich um die
Wehrklöster, kleine Festungen, die den Missionaren zum Schutz
gegen die Bevölkerung und die Normannen (Wikinger) dienten.
Die Wikinger griffen normalerweise nicht wahllos die Bevölkerung
oder die mit ihnen verwandten Kelten an, sondern beraubten gezielt
die Klöster mit radikalen Mönchen (Benediktiner) der römisch-
päpstlichen Kirche.
Mit diesen Wehrklöstern (nicht zu verwechseln mit den für die Be-
völkerung offenen Klöstern der irischen Kirche) wurde ein Etiket-
tenschwindel betrieben, da man diese auch heutzutage noch als
Fluchtburgen für die Bevölkerung ausgab. Denn zu damaliger Zeit
gab es zwar teilweise blutige Fehden unter den einzelnen Sippen
(Clans), aber keine Völkerkriege. Die Keltogermanen lebten relativ
friedfertig in ihrer traditionellen Lebensweise – trotz gelegentlicher Raubzüge und Privatfehden – über ganz Europa verstreut, wovon
auch das im Fernhandel funktionierende keltische Münzsystem
zeugt – bis die Christianisierung der katholischen Kirche begann
und das keltogermanische System zerschlug.
Die Christianisierung musste gewaltsam erfolgen, denn niemand
wäre freiwillig dem neuen Glauben gefolgt, insbesondere, da die
katholische Kirche, im Gegensatz zu den asketisch lebenden iro-
schottischen Mönchen, die Abgabe des zehnten Teils von Vieh und
Getreide zum Unterhalt des Klerus von der Bevölkerung forderte.
Die Wehrklöster und -kirchen dienten in Wahrheit dem Schutz der
Christianisierer und nicht umgekehrt dem des Volkes! Nicht nur
das Kloster Corvey wurde errichtet »nach den benediktinischen
Vorschriften im Grenzbereich, die beinahe die Anlagen der damals
bekannt gewordenen römischen Militärkastelle kopierten. Wie (an-
geblich, HJZ) die römischen Agrimensoren (Landvermesser) ma-
ßen sie das Gelände auf« (Erläuterung im Museum für Hamburger
Geschichte, Raum 204). Wie unterscheidet man eigentlich Original und Kopie? Könnte es sein, dass angebliche Kopien gar keine
Vorbilder haben, sondern selbst die original römischen Militär-
kastelle darstellen, die ja gerade erst bekannt wurden?
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Vielleicht muss dann auch der Sinn und Zweck neu errichteter
Burganlagen völlig neu überdacht werden. Raubritter waren im
wahrsten Sinne des Wortes Räuber im Land der keltogermanischen
Urbevölkerung. Mir fiel auf, dass die Burgen am Mittelrhein immer
in Sichtweite angeordnet sind. Reiner Zufall oder konnte man bei
Bedrohung Signale weiterleiten, sich gegenseitig helfen und gleich-
zeitig einen wichtigen Verkehrsweg sichern?
Nachdem das europäische Netzwerk und die Verbindungen der iro-
schottischen Missionen von den Benediktinern zuerst freund-
schaftlich benutzt und zum Aufbau eigener Klöster genutzt
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