Kolumbus kam als Letzter
Umstrukturierung Europas in zentralistisch
regierte Feudalsysteme verläuft zeitgleich mit dem Aufschwung
177
dieses Ritterordens. Mitte des 12. Jhs. beginnt abrupt der gotische
Baustil.
Als Initialzündung könnte neben den baupraktischen Erfahrungen
der Normannen in Sizilien und Süditalien vielleicht der enorme
Wissensschatz der arabischen Universitäten Spaniens im 11. und
12. Jh. gesehen werden, der an islamische, christliche und jüdische
Studenten vermittelt wurde. »Somit war die griechische und arabi-
sche Wissenschaft den westeuropäischen Gelehrten zugänglich.
Der Beitrag, den die Araber zur Entwicklung unserer Zivilisation
leisteten, wird oft unterschätzt. Ohne ihn wäre die mittelalterliche Kultur nie zu ihrer vollen Blüte gelangt, und die Renaissance hätte
sich nur schleppend entwickelt« (Gimpel, 1996, S. 80 ff.). Durch
diese Erfahrungen wurde der germanische (normannische) Baustil
revolutioniert und sprunghaft weiterentwickelt.
Mit der Verhaftung der französischen Templer beziehungsweise mit
der Aufhebung des Ordens 1312 durch Papst Klemens V. konnte
das über ganz Europa verzweigte Filialsystem der Templer von den
sich neu etablierenden Feudalherren übernommen und aufgeteilt
werden. Pläne zur Zusammenlegung des Templer- mit dem Johan-
niterorden hatte es bereits 1294 gegeben, als die Kirche ein Konzil
in Lyon einberief, um diese Frage zu erörtern.
Der Umbruch der machtpolitischen Verhältnisse in Europa im 14.
Jh. zugunsten der Papstkirche hängt aber signifikant mit dem Wir-
ken von Naturkatastrophen zusammen.
Kulturschnitt
Mitte des 14. Jhs. überrollten mehrere Pestepidemien das Land und
die noch zu diskutierende Kleine Eiszeit begann (Rüssel, 1972, S.
51 f.). Sturmfluten entrissen zu dieser Zeit den Ländern an den
Nordseeküsten weite Landstriche und überfluteten andererseits
ganze Gebiete – sumpfiges Hinterland zurücklassend. Vielleicht soll-
ten aus dieser Sichtweise die metertief unter ehemaligen Schlamm-
fluten versunkenen römischen (meines Erachtens keltischen) Bau-
werke am Niederrhein betrachtet werden?
178
Nachdem die europäische Bevölkerung nach der Naturkatastrophe
im 6./9. Jh. zwischen 1000 und 1300 von ungefähr 40 auf ca. 73 Mil-
lionen zugenommen hatte, führten die Katastrophen um 1350 wie-
der zu einem Rückschlag auf das ursprüngliche Niveau. Die vorher
schon dünn besiedelten Gebiete wurden ab Mitte des 14. Jhs. teil-
weise fast völlig entvölkert. Hinzu kommt die offensichtliche Kli-
maverschlechterung, die mit Schwankungen bis ins 19. Jh. anhielt.
Nach der Katastrophe im 6./9. Jh. gab es ein Klimaoptimum im
Norden Europas bis zum Nordpol, das Nordeuropa das wärmste
und damit fruchtbarste Wetter bis Anfang des 14. Jh. bescherte
(vgl. Lamb, 1977, S. 435 ff.) und damals eine eigentümliche Dyna-
mik entfaltete.
Mit den Katastrophen und der Klimaverschlechterung fand im
14. Jh. ein völliger Umbruch statt: Die Neugründungswelle der
Städte kam zum Erliegen, sintflutartige Regenfälle im Herbst zur
Zeit der Ernte und darauf folgende Hungersnöte verheerten Eu-
ropa in dieser Zeit fast überall. Damit einher ging ein drastischer
Arbeitskräftemangel, der zu einer Krise des bisherigen Feudalismus
führte. Nach einer mikrohistorischen Untersuchung einer kleinen
Region um Cluny setzte der Feudalismus schlagartig um das Jahr
1000 ein (Bois, 1993). Die arbeitsfähigen Männer wanderten zum
einfacheren Broterwerb in die Städte ab.
Die Katastrophen um 1350 stehen für einen einschneidenden Kul-
turbruch, eine Zäsur, die von den Humanisten im 15. Jh. für
Fälschungen alter Dokumente und dreiste, als antik etikettierte
Neuschöpfungen genutzt wurde. Nur durch heftig wütende Na-
turkatastrophen war Ende des 14. Jhs. wie nach den Weltkriegen im
20. Jh. ein völliger Umbruch der ursprünglichen Gesellschafts- und
Glaubensform möglich. Nur so konnte die keltogermanische Kultur auf die Müllkippe der Geschichte verbannt werden.
Als Epochenbegriff (auch Renaissancehumanismus) stellt der Humanismus eine literarisch-philosophische Bildungsbewegung dar,
die sich zunächst in Italien um 1350 mit Blick auf die römische
Antike entwickelte. Nach der Zerstörung Konstantinopels (1453) kam durch den Zustrom byzantinischer Gelehrter, die zahlreiche
Handschriften antiker Texte mitbrachten, die Beschäftigung mit
179
der griechischen Literatur hinzu. Große Bedeutung erlangte aber
der Humanismus durch
Weitere Kostenlose Bücher