Kolumbus kam als Letzter
auch ohne die Jahreszählung nach Christi Geburt angewendet wurde. Dann erfolgte eine Phase, in der variabel gehaltene
Datierungen mittels mehrerer Zeitstränge – wie beispielsweise nach
Regierungsjahren des Ausstellers – erfolgten, deren Umrechnung
auf die Jahreszählung nach Christi Geburt aber unterschiedliche
Jahreszahlen ergibt. Aus dieser Sichtweise ist es erklärlich, wenn
bei einem König mindestens fünf verschiedene Anfangstermine zu
finden sind, wie beispielsweise bei König Rupert von Frankreich
im 10. Jh.
Nach dieser ersten Fälschungswelle folgte mindestens eine zweite
(oder vielleicht auch weitere) besser koordinierte in der zweiten
Hälfte des 14. Jhs., bei der auch alte Urkunden mit neuen Jahres-
zahlen versehen wurden. Nach 1450 wurden zwar auch Schrift-
stücke gefälscht, die aber das uns bekannte geschichtliche Bild
nicht mehr grundlegend veränderten.
Meines Erachtens kann die erst sehr spät erfundene AD-Jahres-
zählung – ob im 10. oder 12. Jh. (oZ) – sehr gut mit dem Wirken
der Naturkatastrophen im 6./9. Jh. (oZ/eZ) und der daraus resultie-
renden Amnesie hinsichtlich der europäischen Geschichte in der Antike plausibel gemacht werden, denn unter kontinuierlichem,
gleichförmigem Verlauf der Geschichte wäre eine konzertierte Fäl-
schungsaktion nicht möglich gewesen.
Es kann daher nicht verwundern, wenn in England an keinem Ort
eine nachweisbare Kontinuität von den Römern zu den Normannen
nachgewiesen werden kann und östlich »die weiten städtelosen
Räume Osteuropas« lagen (Pitz, 1991, S. 118).
Die bereits beschriebene katholische Mission Ansgars in Hamburg,
die 831/832 begann, war nach Zerstörung der Ansiedlung bereits
845 gescheitert. »Dies änderte sich erst 100 Jahre später: mit der
Gründung der drei skandinavischen Reiche Dänemark, Norwegen
und Schweden. Unter christlichen Königen gelang dem Christen-
tum schnell der endgültige Durchbruch« (Erläuterung im Museum
für Hamburger Geschichte, Raum 204).
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Die erstmalige Bildung von zentral regierten Staaten mit fest fixierten Grenzen erforderte auch eine neue gemeinsame Sprache in
einem Staatsgebiet. Die neuen Hochsprachen (Spanisch, Deutsch,
Italienisch usw.) wurden – neben Latein – in den Klöstern ab dem
10. Jh. nach einem bestimmten, einheitlichen Schema mit willkür-
lich eingeflochtenen Störungen entwickelt. Deshalb ähneln sich die
Vokabeln auch teilweise oder sind identisch – von Sprachwissen-
schaftlern irrtümlich als kontinuierlich verlaufende Sprachentwick-
lung mit eingestreuten Lehnwörtern gedeutet.
Mit der Einführung des Lateins in den Ländern Europas ging eine
tief greifende Veränderung einher, schreibt Egenolff (Teil I, S. 62) im Jahre 1735, »daß heute zu Tage kein Franzose weder einen Spanier noch Italiener verstehet …«
Neue Sprachen
»Die Verschriftlichung der Volkssprache und die Entstehung einer
deutschen Literatur, die mehr ist als die zufällige Ansammlung ein-
zelner, voneinander isolierter Texte, ist ein langwieriger, verschlungener und in der Frühphase vielfach unterbrochener Prozess. Zwar
geht volkssprachliche Schriftlichkeit nach ihrem Beginn im 8. Jh.
(auf dem Kontinent) wohl nie mehr ganz verloren, aber eine konti-
nuierliche Literaturproduktion setzt überhaupt erst in der zweiten
Hälfte des 11. Jhs. ein« (Kartschoke, 1990, S. 52), und erst »seit
1060 beginnt schließlich, in sehr weit voneinander entfernten Re-
gionen des deutschen Sprachraums und fast gleichzeitig, eine volks-
sprachliche Literatur ans Licht zu treten, … danach reißt der Strom
(zunächst immer noch geistlicher) deutscher Literatur nicht mehr
ab« (Kartschoke, 1990, S. 53 f., vgl. Zeller, 1991, S. 63 f.).
Mit der Landnahme und Staatenbildung wurden von geistlicher
Seite in den Klöstern neue Sprachen, u.a. Hochdeutsch entwickelt.
Nach der Naturkatastrophe im 6./9. Jh. gab es kaum noch gebildete
Leute, die wenigen wurden aber in bestimmten Zentren konzen-
triert und ideologisch gedrillt. Die normale Bevölkerung besaß
nach dem Trauma der Katastrophen nur noch Erinnerungen, aber
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keine eigentliche Bildung, insbesondere da die geistige Elite der
Druiden verfolgt und getötet wurde.
Die hochdeutsche Sprache entstand, wie das Schrifttum, relativ
plötzlich: Deutsche Sprache, Schrift und Literatur traten endgültig
um 1060 parallel zur schwappenden Gründungswelle der Städte
auf. Jetzt wird eine Feststellung verständlich:
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