Kolumbus kam als Letzter
Vermessungsgerät zur
Fixierung der Nord-Süd-Linie, zur Errichtung der Ost-West-Linie
darauf und zur Ziehung von Parallelen zu beiden Linien. Von den
Etruskern erhielten angeblich auch die Römer dieses Groma genannte Gerät, dessen Bezeichnung lateinisch-griechischer Herkunft sein soll (Irmscher, 1984, S. 212).
Schon in meinem Studium wurden wir bei ersten Vermessungsar-
beiten neben dem Nivelliergerät mit Flucht- und Messlatten aus-
gerüstet. Auch unsere Vorfahren benötigten Peil- und Fluchtstäbe.
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Abb. 28: Vermessungsgeräte. Bild 1: Das Vermessungsgerät Groma der Etrusker. Bild 3 (verkleinert): Mensch mit Flucbtstange aus dem Val Fontanalba (Frankreich), die Knotenmarkierungen zur Entfernungsmessung trägt. Bild 4: Lochstab des Magdalenien vor etwa 15 000 Jahren aus Europa. Bild 2: Der Heroldsstab, ein weiterentwickelter Lochstab. Bild 5: Unidentifiziertes Knochenwerkzeug (= Lochstab) aus der Zeit der Clovis-Jäger, das 1967 bei Murray Springs in Arizona (Nordamerika) zusammen mit Mammutknochen gefunden wurde. Die Diopterlöcher des Lochstabs dienten zum Visieren, Fluchten und Messen.
Tatsächlich stellt ein 77 Meter langes, in den Boden gescharrtes Bild einen vorgeschichtlichen Landmesser dar, der zwei Fluchtstäbe in
der Hand hält. Dieser Lange Mann von Wilmington in East Sussex (England) blickt nach Norden.
Man benötigt auch eine Visiereinrichtung zur Verlängerung der ei-
genen Standlinie. Hierzu diente ein Lochstab, dessen Gebrauch bis
in die Steinzeit (Magdalénien) zurückverfolgt werden kann. Die
Bohrung im Lochstab, beispielsweise in einem Rengeweih, ist
nichts anderes als ein Diopter, der möglicherweise mit einem Fa-
denkreuz für genaues Fluchten überzogen war.
Bei dem Heroldsstab (Caduceus), den der Gott Merkur (Mercu-
rius) trug und der dem griechischen Heroldsstab (Kerykeion) des
Hermes und der geflügelten Götterbotin Iris entspricht, handelt
es sich um eine Weiterentwicklung des Lochstabes. Die Verzie-
rung des Heroldsstabes mit dem Schlangensymbol und seine
Gleichsetzung mit dem Merkurstab ist nicht eindeutig geklärt (Irmscher, 1983, S. 234). Bei Hermes besteht ein Zusammenhang
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zu griechisch Hermax und Hermaion, also Steinhaufen (Cairns), die der Richtungsfindung dienen. Da die Steinhaufen zur Weg-markierung verwendet wurden, war Hermes, der Gott der Wege,
Schutzherr der Wanderer und wurde selbst mit Reisehut und Flü-
gelschuhen dargestellt. Auch im Bereich der Nordenglandstaaten in
Nordamerika findet man häufig diese kaum beachteten Steinhaufen.
In Kanada und Grönland dienten aufgeschichtete Steinhaufen
(Inukshooks) den Eskimos als Wegemarkierung.
Viele Zeugnisse vorgeschichtlicher Vermessungstätigkeit haben sich
in Orts- und Flurnamen erhalten. Die Kennzeichnung der Fest-punkte findet sich in Ortsnamen wieder, die auf -stock, -stein-,
eck-, kreuz oder -horn enden oder Bestandteile der Vermessungs-
tätigkeit beinhalten, wie die Anfangssilben maas-, maß- oder meß-
in Meßhorn, Maßberg oder Messberg.
Goslar Carstens (1982) hatte bei seinem Nachweis, dass die alten
Kirchen im Norden auf den Plätzen heidnischer Heiligtümer ver-
messen und gebaut waren, bemerkt, dass bei der Vermessung durch
Abb. 29: Fluchtstangen. Eines von mehreren prä-
historischen Landschaftsbildern stellt den langen
Mann von Wilmington (England) dar, der zwei
Fluchtstangen in der Hand hält, ebenso wie der
einäugige »Wotan-Odin aus Torslunda« (mittleres
Bild). Am Ende der Hörner könnte der Helm Diop-
terlöcher besitzen. Stellt das eine Auge eine Art Lin-
se dar? Auf dem Ausschnitt des Bildes (rechts) »Die beiden Raben Odins«
(Wendel in Upland) trägt Odin eine Art Brille vor dem Helm. Unteres Bild: In Peru wurde Amerikas ältestes Abbild einer Gottheit entdeckt – aus Erman-gelung von Hinweisen Stabgott genannt (»Archaeology«, Mai/Juni 2003).
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Wälder und über Berge hinweg der mathematische Gedanke des
pythagoreischen Lehrsatzes angewendet wurde.
Der Österreicher Dr. Hubert Stolla erforscht seit Jahrzehnten die
vorgeschichtlichen Vermessungsbeziehungen zwischen Kapellen,
Kirchen, roten Kreuzen und heidnischen Opfersteinen in der Stei-
ermark. Das Ergebnis sind über 1000 rechtwinklige oder gleich-
schenkelige Dreiecke mit Seitenlängen ab 1050 Metern und große
Konstruktionen mit Seitenlängen bis zu 31410 Metern. Da in die-
sen Konfigurationen auch neolithische Steinaltäre und Kultplätze
vorkommen, schließt Stolla,
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