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Kolyma

Kolyma

Titel: Kolyma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Rob Smith
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Zigarette. Nach dem Geruch zu urteilen vermutete Leo, dass sie Aufputschmittel enthielt. Amphetamine würden auch erklären, warum sie immer noch eine solch unbändige Energie besaß. Ihre Augen waren vollkommen schwarz, die Pupillen wie Öllachen. Als er noch MGB-Agent gewesen war, hatte er diese Droge oft selbst bei nächtlichen Razzien und stundenlangen Verhören genommen. Danach würde Frajera keinen klaren Kopf mehr haben. Ihre Gewaltbereitschaft würde steigen und eine grenzenlose Selbstüberschätzung jede ihrer Entscheidungen unverrückbar machen.
    Mit den Schlüsseln aus dem Wachhäuschen sprang Frajera die Treppe hinauf, entriegelte die Haustür und riss sie weit auf. Dann verbeugte sie sich vor Malysch und Soja. »Ein junges Paar sollte auch ein Nest haben.«
    Malysch wurde rot. Soja betrat lächelnd das Haus, und bald darauf hallte die riesige Eingangshalle von ihrem erstaunten Ausruf wider. »Es gibt sogar ein Schwimmbad!«
    Das Becken, draußen im Garten hinter der Villa, war mit Schutzfolie aus Plastik abgedeckt, auf der totes Laub lag. Soja steckte einen Finger ins Wasser unter der Plane. »Es ist kalt.«
    Die Heizung war abgestellt, die Teakholzstühle waren in einer Ecke zusammengestapelt. Ein nur noch halb aufgeblasener grellbunter Strandball wurde sanft vom Wind hin und her gerollt.
    Das einst luxuriöse Haus wirkte ungepflegt. Die Küche war, seit Räkosi nach der Geheimen Rede Ungarn unfreiwillig verlassen hatte und im sowjetischen Exil lebte, nicht mehr benutzt worden, und alles war mit einer dicken Staubschicht bedeckt. Dennoch war sie nach neuestem technischen Standard ausgerüstet, die Geräte stammten aus dem Ausland. In den Schränken türmten sich Kristall und feinstes Porzellan. Es gab noch ungeöffnete Flaschen französischen Weins.
    Vor dem Kühlschrank trafen Soja und Leo zufällig zusammen. Seit seiner Gefangennahme war er ihr noch nicht so nahe gekommen. Seite an Seite versuchten sie, die mittlerweile mit Schimmel überzogenen Lebensmittel zu identifizieren.
    »Soja ...«, begann Leo.
    Bevor er weiterreden konnte, rief Frajera: »Soja!«
    Soja gehorchte der Stimme ihrer Herrin und rannte davon.
    Leo folgte ihr und betrat das Wohnzimmer. Dort stand er unversehens Stalin gegenüber. Von einem riesigen Ölgemälde an der Wand starrte der Diktator hinab und beobachtete seine Untergebenen. Frajera zog ein Messer und hielt es Soja hin. »Diesmal gibt es niemanden, der dich denunzieren wird.«
    Mit dem Messer in der Hand stieg Soja auf einen Stuhl. Ihre Augen waren jetzt in Höhe von Stalins Hals, in idealer Höhe also, um sein Gesicht zu verstümmeln. Doch Soja unternahm nichts.
    »Stich ihm die Augen aus!«, rief Frajera. Mach ihn blind! Rasier ihm den Schnurrbart ab!«
    Soja stieg wieder herunter und gab Frajera das Messer zurück. »Ich habe ... keine Lust.«
    Frajeras Euphorie verwandelte sich in Zorn. »Du hast keine Lust? So einfach verfliegt Wut nicht. Die Wut ist nicht wankelmütig. Die Wut ist wie die Liebe, nicht etwas, was man in einem Moment spürt und im nächsten nicht mehr. Die Wut bleibt immer in einem. Er hat deine Eltern ermordet.«
    Aufgebracht erwiderte Soja: »Ich will aber nicht ständig nur daran denken!«
    Frajera schlug Soja ins Gesicht. Leo sprang vor. Frajera hob ihre Pistole und richtete sie auf Leos Brust, sprach dabei aber weiter mit Soja. »Du vergisst deine Eltern? Geht das so einfach? Was ist denn plötzlich mit dir los? Nur, weil Malysch dich geküsst hat? Ist es das?«
    Frajera trat zu Malysch, riss ihn an sich und küsste ihn. Er wehrte sich, aber sie ließ nicht los. Als sie fertig war, riss sie den Kopf weg. »Nicht schlecht. Aber wütend bin ich immer noch.«
    Sie schoss Stalin zwischen die Augen, wieder und wieder, bis sie ihr ganzes Magazin auf das Ölgemälde geleert hatte. Bei jedem Schuss erzitterte die Leinwand. Irgendwann waren alle Kugeln verschossen, und der Abzugshahn schlug nur noch klickend gegen das leere Patronenlager. Frajera warf Stalin die Pistole ins Gesicht, sie prallte zurück und fiel klackernd zu Boden. Da erst wischte Frajera sich über die Stirn und fing an zu lachen. »Zeit fürs Bettchen.«
    Anzüglich grinsend schob sie Soja und Malysch aufeinander zu.

    * * *

    Erschrocken fuhr Leo hoch. Einer der wory hatte ihn geweckt. »Wir brechen auf.«
    Ohne jede Erklärung wurden Leo, Raisa und Karoly hochgezerrt. Man hatte sie in ein marmornes Badezimmer gesperrt, wo sie sich aus Handtüchern ein Lager hergerichtet hatten, doch

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