Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
als Brenner innerhalb der Polizei gearbeitet.«
»Echt«, sagte Folkestad und sah skeptisch auf den Tierkadaver vor sich. »Und was ist mit Bellman?«
»Er hatte damals die Verantwortung für das Drogendezernat. Ich weiß, dass er einen Deal mit Rudolf Asajev hatte, der ein heroinähnliches Dope namens Violin auf den Markt gebracht hat«, sagte Harry. »Bellman hat Asajev das Monopol in Oslo überlassen, und Asajev musste im Gegenzug dafür sorgen, dass der sichtbare Drogenhandel, die Junkies in den Straßen und vor allem die Drogentoten weniger wurden. Dadurch stand Bellman nämlich gut da.«
»So gut, dass er schließlich Polizeipräsident wurde?«
Harry biss vorsichtig in das erste Stück Frikadelle und zuckte mit den Schultern.
»Und warum bist du mit diesem Wissen nicht weiter gegangen?« Arnold schnitt vorsichtig ein Stück ab, steckte es aber nicht in den Mund, sondern sah zu Harry, der ausdruckslos kaute. »Der Gerechtigkeit wegen?«
Harry schluckte, nahm die Papierserviette und wischte sich den Mund ab. »Ich hatte keine Beweise. Außerdem war ich zu diesem Zeitpunkt schon kein Polizist mehr. Es ging mich nichts an, und es geht mich auch jetzt nichts an, Arnold.«
»Na dann.« Folkestad spießte ein Stückchen auf seiner Gabel auf, nahm es hoch und musterte es von allen Seiten. »Nicht, dass ich mich da einmischen will, Harry, aber wenn dich das nichts angeht und du auch kein Polizist mehr bist, warum hat dir die Rechtsmedizin dann den Obduktionsbericht von diesem Rudolf Asajev geschickt?«
»Hm, das hast du also mitgekriegt.«
»Nur weil ich in der Regel deine Post mitnehme, wenn ich unten am Postschalter bin. Weil die Verwaltung sonst ja alles öffnet. Und natürlich auch, weil ich ein neugieriger Kerl mit verdammt langen Ohren bin.«
»Wie schmeckt’s?«
»Hab noch nicht probiert.«
»Los, mach schon. Das beißt nicht.«
»Na, du dann aber auch, Harry.«
Harry lächelte. »Sie haben seinen Augapfel zur Seite gedrückt und schließlich gefunden, wonach sie gesucht haben. Ein kleiner Einstich in einer dicken Ader. Jemand hat Asajevs Augapfel zur Seite gedrückt, während er im Koma lag, und ihm dann eine Spritze mit Luftblasen injiziert. Er war sofort blind und hat danach ein Blutgerinnsel im Gehirn bekommen, das nicht nachgewiesen werden kann.«
»Jetzt hab ich aber wirklich Appetit gekriegt«, sagte Arnold Folkestad, schnitt eine Grimasse und legte die Gabel wieder zur Seite. »Willst du damit sagen, du hättest den Beweis, dass Asajev ermordet wurde?«
»Nein, die Todesursache ist wie gesagt nicht festzustellen. Aber der Einstich zeigt, was passiert sein könnte . Das Rätsel ist nur, wie jemand in das Krankenzimmer gelangen konnte. Die Polizeiwache versichert, in der Zeit, in der die Spritze gesetzt worden sein muss, niemanden gesehen zu haben. Weder einen Arzt noch irgendeinen Unbefugten.«
»Mal wieder so ein locked room mystery ?«
»Wenn der Wachhabende nicht doch zwischendurch weggegangen oder eingeschlafen ist, was er aus verständlichen Gründen nicht zugeben wird. Oder er war direkt oder indirekt an dem Mord beteiligt.«
»Wenn er seinen Posten verlassen hat oder eingeschlafen ist, konnte der Mord nur aufgrund dieser glücklichen Umstände stattfinden, und daran glauben wir wohl weniger, oder?«
»Nein, Arnold, daran glauben wir nicht. Aber er kann weggelockt oder mit Drogen außer Gefecht gesetzt worden sein.«
»Oder bestochen? Du solltest den Beamten verhören!«
Harry schüttelte den Kopf.
»Warum nicht?«
»Erstens bin ich kein Polizist mehr. Zweitens ist der Mann tot. Das war der, der in dem Auto in der Nähe von Drammen umgebracht worden ist.« Harry nickte wie zu sich selbst, hob die Kaffeetasse an und nahm einen Schluck.
»Verdammt!« Arnold hatte sich über den Tisch gebeugt. »Und drittens?«
Harry gab Nina zu verstehen, dass er zahlen wollte. »Habe ich was von drittens gesagt?«
»Du hast ›zweitens‹ gesagt und nicht ›und zweitens‹. So als wäre das die Mitte einer Aufzählung.«
»Okay, ich werde in Zukunft ein bisschen besser auf meine Sprache achten.«
Arnold legte seinen großen, haarigen Kopf etwas zur Seite, und Harry sah die Frage im Blick seines Kollegen: Wenn du den Fall gar nicht weiterverfolgen willst, warum erzählst du mir dann davon?
»Iss auf«, sagte Harry. »Ich habe eine Vorlesung.«
Die Sonne sank an einem blassen Himmel nach unten, landete weich auf dem Horizont und färbte die Wolken orange.
Truls Berntsen saß im Auto
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