Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
Kreditkartennutzung, nicht einmal ein registriertes Bankkonto. Er hat bei der letzten Wahl nicht gewählt und im letzten Jahr weder Zug noch Flugzeug genommen.«
»Hast du’s bei Google probiert?«
Katrine lachte, bis sie begriff, dass Hagen das ernst gemeint hatte.
»Entspann dich«, sagte sie. »Ich finde ihn schon noch. Ich probiere es von zu Hause aus von meinem PC .«
Sie legten auf. Katrine stand auf, zog ihre Jacke an und wollte schnell nach draußen, da über Askøy bereits wieder dicke Wolken aufzogen. Als sie im Begriff war, ihren PC auszuschalten, kam ihr etwas in den Sinn. Etwas, das Harry Hole einmal zu ihr gesagt hatte. Dass man das Naheliegendste oft zu überprüfen vergaß. Sie tippte schnell etwas ein und wartete, dass die Seite geladen wurde. Es entging ihr nicht, dass ein paar Kollegen in dem Großraumbüro die Hälse reckten, als sie laut in Bergenser Dialekt zu fluchen begann. Harry hatte natürlich wieder einmal recht gehabt.
Sie griff zum Telefon und drückte die Wiederwahltaste. Gunnar Hagen antwortete nach dem zweiten Klingeln.
»Ich dachte, du hättest eine Sitzung«, sagte Katrine.
»Verschoben, ich bin gerade dabei, Leute auf diesen Valentin Gjertsen anzusetzen.«
»Das brauchst du nicht. Ich habe ihn gefunden.«
»Oh?«
»Kein Wunder, dass er wie vom Erdboden verschluckt ist. Das ist er in gewisser Weise nämlich wirklich.«
»Du willst damit aber nicht sagen, dass …?«
»Doch, er ist tot. Das steht jedenfalls klar und deutlich im Melderegister. Sorry für dieses Hin und Her aus Bergen. Ich gehe jetzt nach Hause und fresse mir den Frust von der Seele. Küchenabfälle und Dorschköpfe.«
Als sie aufgelegt hatte und den Blick hob, hatte es zu regnen begonnen.
Anton Mittet sah von seiner Kaffeetasse auf, als Gunnar Hagen in die fast menschenleere Kantine im sechsten Stock des Präsidiums gestürmt kam. Anton hatte schon eine ganze Weile die Aussicht genossen und sich gefragt, wie sein Leben aussehen würde, wenn es diesen einen Tag nicht gegeben hätte. Er konnte nicht aufhören, sich diese Frage zu stellen. Vielleicht war das ja so, wenn man in die Jahre kam. Er hatte die Karten aufgenommen, die ihm ausgeteilt worden waren. Neue bekam er nicht. Es kam alles darauf an, sie bestmöglich auszuspielen. Und von den Karten zu träumen, die er gernebekommen hätte.
»Tut mir leid, dass ich so spät komme«, sagte Gunnar Hagen und nahm ihm gegenüber Platz. »Ein unerfreulicher Anruf aus Bergen. Wie geht’s?«
Anton zuckte mit den Schultern. »Ich mache meine Arbeit. Sehe die jüngeren Kollegen auf dem Weg nach oben an mir vorbeiziehen. Versuche, ihnen hin und wieder einen Rat zu geben, aber die meisten sehen keinen Sinn darin, einem Mann mittleren Alters zuzuhören, der noch immer einfacher Kommissar ist. Es macht den Eindruck, als hielten sie das Leben für einen roten Teppich, der ihnen zu Ehren ausgerollt worden ist.«
»Und zu Hause?«, fragte Hagen.
Anton wiederholte sein Schulterzucken. »Okay. Meine Frau beklagt sich, dass ich zu viel arbeite. Aber wenn ich dann zu Hause bin, beklagt sie sich auch. Klingt das irgendwie bekannt?«
Hagen gab einen neutralen Laut von sich, der alles bedeuten konnte, auch das, was sein Gegenüber hören wollte.
»Erinnern Sie sich an Ihre Hochzeit?«
»Ja«, sagte Hagen und warf einen Blick auf seine Uhr. Nicht weil er wissen wollte, wie spät es war, sondern um Anton Mittet einen Hinweis zu geben.
»Das Schlimme ist, dass man wirklich daran glaubt, wenn man da steht und für alle Ewigkeit ›Ja‹ sagt.« Antons Lachen klang hohl, dann schüttelte er den Kopf.
»Sie wollten mit mir über etwas Bestimmtes sprechen?«, fragte Hagen.
»Ja.« Anton strich sich mit dem Zeigefinger über den Nasenrücken. »Gestern ist auf der Station ein neuer Pfleger aufgetaucht. Er wirkte ein bisschen fischig. Ich kann nicht genau sagen, was mich an ihm stört, aber Sie wissen ja, wie erfahrene Menschen wie Sie und ich so etwas wahrnehmen. Deshalb habe ich ihn überprüft und dabei ist herausgekommen, dass er vor einigen Jahren in einen Mordfall verwickelt war, aber aus Mangel an Beweisen wieder freigelassen wurde.«
»Verstehe.«
»Ich dachte, dass ich damit am besten gleich zu Ihnen komme. Sie können doch sicher mit der Krankenhausleitung sprechen. Vielleicht kann man ihn auf diskrete Weise einer anderen Station zuteilen.«
»Ich werde mich darum kümmern.«
»Danke.«
»Ich muss mich bedanken. Gute Arbeit, Anton.«
Anton Mittet nickte. Es
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