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Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Titel: Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Besuchserlaubnis, den sie per Mail erhalten hatte, und wurde weiter hinein durch die Gemächer geführt.
    Ein Vollzugsbeamter wartete breitbeinig und mit verschränkten Armen auf sie und klirrte mit den Schlüsseln. Die protzige, aufgesetzte Selbstsicherheit war typisch, da die Besucherin eine Polizistin war und damit zur Brahmanenkaste der Ordenshüter zählte, in deren Gegenwart alle Vollzugsbeamten, Sicherheitsleute, ja sogar Politessen Minderwertigkeitsgefühle bekamen, die sie mit Worten und Gesten zu kompensieren versuchten.
    Katrine tat, was sie in solchen Fällen immer tat, sie war höflicher und freundlicher, als es eigentlich ihrer Natur entsprach.
    »Willkommen in der Kloake«, sagte der Vollzugsbeamte, auch dies ein Satz, den er anderen Besuchern gegenüber sicher nicht brachte, den er sich aber bestimmt gut zurechtgelegt hatte, um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, dass er über den nötigen schwarzen Humor und Zynismus verfügte, den man für diese Arbeit brauchte.
    Aber das Bild war gar nicht so falsch, dachte Katrine, als sie durch die Gänge des Gefängnisses liefen. Sie wirkten tatsächlich wie Gedärme. In denen das Rechtssystem seine verurteilten Individuen auf eine braune, stinkende Masse reduzierte, die irgendwann wieder nach draußen musste. Alle Türen waren verschlossen, die Flure leer.
    »Hier sitzen die Perversen«, sagte der Vollzugsbeamte, als er die Stahltür am Ende des Gangs aufschloss.
    »Die haben eine eigene Abteilung?«
    »Oh ja. Wenn wir die Sexualstraftäter alle an einem Ort haben, ist die Gefahr, dass ihre Nachbarn sich um sie kümmern, nicht ganz so groß.«
    »Um sie kümmern?«, fragte Katrine mit gespielter Naivität.
    »Ja, die sind hier ebenso verhasst wie beim Rest der Bevölkerung. Wenn nicht noch mehr. Und wir haben hier Mörder, deren Impulskontrolle deutlich geringer ist als Ihre oder meine. Wenn die einen schlechten Tag haben …« Er fuhr sich mit dem Schlüssel, den er in der Hand hielt, in einer dramatischen Geste über die Kehle.
    »Die bringen die um ?«, platzte Katrine mit Entsetzen in der Stimme heraus und fragte sich einen Augenblick, ob sie nicht zu dick auftrug. Aber der Vollzugsbeamte ließ sich nichts anmerken.
    »Na ja, die werden nicht immer gleich umgebracht. Aber eine Abreibung kriegen sie schon. Einige von den Perversen verbringen viel Zeit auf der Krankenstation. Gebrochene Arme und Beine und so was. Angeblich, weil sie die Treppe runtergefallen oder in der Dusche ausgerutscht sind. Die trauen sich nicht mal mehr, gegen die anderen auszusagen.« Er schloss die Tür hinter sich und hielt die Luft an. »Riechen Sie das? Das ist Sperma auf warmen Heizkörpern. Das trocknet sofort. Der Geruch brennt sich ins Metall ein und ist nicht mehr wegzukriegen. Riecht irgendwie wie verbranntes Menschenfleisch, nicht wahr?«
    »Homunkulus«, sagte Katrine, sog die Luft tief in ihre Lungen, roch aber nur frische Farbe.
    »Hä?«
    »Noch im 17. Jahrhundert glaubte man, dass in dem Samen winzig kleine Menschen sind«, sagte sie. Der verwunderte Blick des Vollzugsbeamten sagte ihr, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Sie hätte einfach nur die Schockierte spielen sollen.
    »Das heißt dann aber doch«, beeilte sie sich zu sagen, »dass Valentin hier unter Gleichgesinnten in Sicherheit war?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Es gab das Gerücht, dass er die kleinen Mädchen im Maridalen und am Tryvann vergewaltigt hatte. Und Kinderficker werden sogar von notorischen Vergewaltigern gehasst.«
    Katrine zuckte zusammen, und dieses Mal war es nicht gespielt. Die unangestrengte Art, mit der er das Wort aussprach, machte ihr zu schaffen.
    »Dann hat man sich um Valentin gekümmert ?«
    »Das können Sie wohl sagen.«
    »Und dieses Gerücht. Haben Sie eine Idee, wie das in Umlauf gekommen ist?«
    »Ja«, sagte der Vollzugsbeamte, als er die nächste Tür aufschloss. »Das wart ihr.«
    »Wir? Die Polizei?«
    »Ein Polizist war hier unter dem Vorwand, die Insassen zu den beiden Fällen zu verhören. Aber nach allem, was ich gehört habe, hat er mehr erzählt als gefragt.«
    Katrine nickte. Wenn die Polizei sich sicher war, dass ein Häftling sich an Kindern vergriffen hatte, sie ihm das aber nicht nachweisen konnten, sorgte sie schon einmal dafür, dass er seine Strafe auf andere Weise bekam. Von solchen Fällen hatte sie gehört. Man musste nur die richtigen Gefangenen informieren. Die mit der meisten Macht oder der geringsten Impulskontrolle.
    »Und das haben Sie

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