Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
empfindlich, aber diese Sache hat mir echt Alpträume gemacht.«
»Was für eine Tätowierung war das?«
»Wieso?«
»Ja, wie …?« Katrine spürte, dass sie im Begriff war, aus ihrer Rolle als nette Polizistin zu fallen, und riss sich zusammen, um ihre Verärgerung nicht zu zeigen. »Wie sah sie aus?«
»Tja, also, das war ein Gesicht. Ziemlich hässlich, irgendwie so verzerrt. Als säße es fest und versuchte loszukommen.«
Katrine nickte langsam. »Von dem Körper, in dem es gefangen war?«
»Ja genau, kennen Sie das?«
»Nein«, antwortete Katrine. Aber ich kenne das Gefühl . »Und Sie haben diesen Judas also nicht wiedergefunden?«
» Sie haben Judas nicht wiedergefunden.«
»Okay, gut. Und was meinen Sie, warum haben wir ihn nicht gefunden?«
Der Mann zuckte mit den Schultern. »Woher soll ich das wissen? Aber ich verstehe natürlich, dass jemand wie Judas bei Ihnen nicht gerade oberste Priorität hat. Es gab für die Tat wie gesagt mildernde Umstände, und im Grunde bestand auch kaum Wiederholungsgefahr. Er hätte seine Strafe eigentlich bald abgesessen gehabt, aber wahrscheinlich hat dieser Idiot einfach das Fieber gekriegt.«
Katrine nickte. Das Entlassungsfieber. Wenn sich das Datum näherte und der Häftling an die Freiheit zu denken begann, wurde es für manche schier unerträglich, auch nur noch einen Tag länger zu sitzen.
»Gibt es jemanden, der mir etwas über Valentin erzählen könnte?«
Der Beamte schüttelte den Kopf. »Abgesehen von Judas hatte er keine weiteren Kontakte, es wollte aber auch niemand mit ihm zu tun haben. Mann, hat der den Leuten Angst gemacht. Es geschah etwas mit der Luft, wenn er den Raum betrat.«
Katrine stellte noch ein paar weitere Fragen, bis ihr klarwurde, dass sie nur die Zeit und das Flugticket zu rechtfertigen versuchte.
»Sie wollten mir eben sagen, was Valentin getan hat«, sagte sie.
»Wollte ich das?«, fragte er schnell und sah auf die Uhr. »So was, ich muss …«
Auf dem Weg zurück durch den Aufenthaltsraum sah Katrine nur noch den dünnen Mann mit dem roten Schädel. Er stand mit hängenden Armen vor der Dartscheibe und starrte auf den leeren roten Punkt. Die Pfeile waren nirgends zu sehen. Er drehte sich langsam um, und Katrine erwiderte seinen Blick. Das Grinsen war verschwunden, und die Augen waren matt und grau wie Quallen.
Er rief etwas. Vier Worte, die er dann noch einmal wiederholte. Laut und schrill wie ein Vogel, der Gefahr witterte. Dann lachte er.
»Kümmern Sie sich nicht um ihn«, sagte der Wachmann.
Das Lachen entfernte sich hinter ihnen, als sie über den Flur hasteten.
Dann stand sie wieder draußen und sog die regenschwere, raue Luft ein.
Sie nahm das Telefon, schaltete die Aufnahme ab, die die ganze Zeit gelaufen war, und rief Beate an.
»Ich bin in Ila fertig«, sagte sie. »Hast du Zeit?«
»Ich schmeiß die Kaffeemaschine an.«
»Äh, hast du nicht vielleicht …?«
»Du bist Polizistin, Katrine. Du trinkst doch wohl Kaffeemaschinenkaffee, oder?«
»Hör mal, ich hab früher immer im Café Sara in der Torggata gegessen, und du musst auch mal aus deinem Labor raus. Lass uns eine Lunchpause machen. Ich lade dich ein.«
»Das musst du auch.«
»Äh, wieso?«
»Ich habe sie gefunden.«
»Wen?«
»Irja Jacobsen. Sie lebt. Auf jeden Fall, wenn wir uns beeilen.«
Sie verabredeten sich in einer Dreiviertelstunde und legten auf. Während Katrine auf das Taxi wartete, hörte sie sich die Aufnahme noch einmal an. Mit einem guten Kopfhörer konnte sie sicher dechiffrieren, was der Beamte gesagt hatte. Sie spulte bis zum Schluss vor und hörte sich an, wofür sie keinen Kopfhörer brauchte. Den Warnschrei des Rotschädels:
»Valentin lebt. Valentin killt. Valentin lebt. Valentin killt.«
»Heute Morgen ist er aufgewacht«, sagte Anton Mittet, während er gemeinsam mit Gunnar Hagen über den Flur eilte.
Silje stand von ihrem Stuhl auf, als sie die beiden Männer kommen sah.
»Silje, Sie können jetzt gehen«, sagte Anton. »Ich übernehme.«
»Aber Ihre Schicht fängt doch erst in einer Stunde an.«
»Sie können gehen, sage ich. Nehmen Sie sich frei.«
Sie musterte Anton gründlich. Dann sah sie zu dem anderen Mann.
»Gunnar Hagen«, sagte er und streckte ihr seine Hand hin. »Leiter des Morddezernats.«
»Ich weiß, wer Sie sind«, sagte sie und nahm seine Hand. »Silje Gravseng. Ich hoffe, irgendwann einmal für Sie zu arbeiten.«
»Gut so«, sagte er. »Dann tun Sie ruhig, was Anton Ihnen gesagt
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