Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)
akzeptiert?«
Der Beamte zuckte mit den Schultern. »Was sollten wir als Wärter denn tun?« Und dann fügte er mit leiserer Stimme hinzu: »Außerdem war uns das in diesem Fall gar nicht so unrecht …«
Sie kamen an einem Aufenthaltsraum vorbei. »Wie meinen Sie das?«
»Valentin Gjertsen war wirklich ein kranker Teufel. Er war im wahrsten Sinne des Wortes böse. Wenn Sie so einem Menschen gegenüberstehen, fragen Sie sich unweigerlich, was Gott sich dabei gedacht hat. Wir hatten hier eine Kollegin, die …«
»Hallo, da sind Sie ja.«
Die Stimme war sanft, und Katrine drehte sich automatisch nach links. Zwei Männer standen an einer Dartscheibe. Sie begegnete dem lächelnden Blick des Mannes, der sie angesprochen hatte. Er war schmächtig und etwa Ende dreißig. Die letzten noch verbliebenen blonden Haare hatte er über seinen rötlichen Schädel nach hinten gekämmt. Eine Hautkrankheit, dachte Katrine. Außer sie hatten hier ein Solarium.
»Ich dachte schon, Sie würden gar nicht mehr kommen.« Der Mann zog die Pfeile langsam aus der Dartscheibe, während er ihren Blick festhielt. Er nahm einen Pfeil und drückte ihn in die rote Mitte der Scheibe. Dann fuhr er mit dem Finger daran auf und ab und schob ihn tiefer hinein, bevor er ihn wieder herauszog und mit den Lippen schmatzte. Der andere Mann lachte nicht, wie Katrine es erwartet hatte. Stattdessen sah er seinen Mitspieler besorgt an.
Der Vollzugsbeamte umfasste Katrines Arm mit leichtem Druck, um sie weiterzuziehen, aber sie befreite sich, indem sie den Arm nach oben nahm, während ihr Hirn verzweifelt nach einer schlagfertigen Replik suchte.
»Vielleicht sollten Sie sich nicht mit Chlorreiniger die Haare waschen!«
Sie ging weiter, bekam aber mit, dass sie zwar nicht ins Schwarze, aber doch ziemlich gut getroffen hatte. Auf jeden Fall wurde das Rot seiner Haut noch intensiver, ehe er breit grinsend salutierte.
»Gab es jemanden, mit dem Valentin hier drinnen Kontakt hatte?«, fragte Katrine, als der Beamte eine Zelle öffnete.
»Jonas Johansen.«
»Der, den sie Judas nennen?«
»Genau. Sitzt wegen Vergewaltigung eines Mannes. Davon gibt es nicht viele.«
»Wo ist er jetzt?«
»Ausgebrochen.«
»Wie ist das möglich?«
»Wenn wir das wüssten.«
»Sie wissen es nicht?«
»Hören Sie, hier sitzen eine ganze Reihe höchst schräger Vögel, aber wir sind kein Hochsicherheitsgefängnis wie Ullersmo. In dieser Abteilung haben die Insassen auch nur begrenzte Haftstrafen. Bei Judas’ Urteil gab es einige mildernde Umstände. Und Valentin saß ja nur wegen versuchter Vergewaltigung. Serienvergewaltiger verbüßen ihre Strafen woanders. Wir verwenden unsere Ressourcen also nicht darauf, die Leute hier auf dieser Abteilung zu überwachen. Wir zählen jeden Morgen durch, und ganz selten fehlt mal einer. Dann müssen alle in ihre Zellen, damit wir herausfinden können, wer fehlt. Doch wenn alle Leute da sind, geht es seinen gewohnten Gang. Als wir festgestellt haben, dass Judas Johansen weg war, haben wir das natürlich der Polizei gemeldet. Ich dachte mir nicht so viel dabei, denn gleich danach hatten wir mit der anderen Sache dann ja alle Hände voll zu tun.«
»Sie meinen …?«
»Ja, den Mord an Valentin.«
»Dann war Judas nicht da, als das geschehen ist?«
»Richtig.«
»Wer könnte ihn umgebracht haben, was glauben Sie?«
»Keine Ahnung.«
Katrine nickte. Die Antwort war sehr automatisch und etwas zu schnell gekommen.
»Was Sie dazu sagen, wird nirgends vermerkt werden, das verspreche ich Ihnen. Ich wiederhole die Frage deshalb noch einmal. Wer hat Ihrer Meinung nach Valentin umgebracht ?«
Der Vollzugsbeamte zog die Luft durch seine Zähne, während er Katrine musterte, als wollte er abchecken, ob da noch mehr war, als er auf den ersten Blick wahrgenommen hatte.
»Es gab hier einige, die Valentin aus tiefster Seele gehasst und gefürchtet haben. Wer immer ihn getötet hat, muss auf jeden Fall eine Wahnsinnswut gehabt haben. Valentin war … Wie soll ich das sagen?« Katrine sah, wie der Adamsapfel des Mannes über seinem Uniformkragen auf und ab hüpfte. »Sein Körper war Brei, ich habe so etwas noch nie gesehen.«
»Vielleicht wurde er mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen?«
»Davon habe ich keine Ahnung, er war auf jeden Fall nicht wiederzuerkennen. Sein Gesicht war nur noch Brei. Ohne diese hässliche Tätowierung auf seiner Brust hätten wir ihn vermutlich nicht identifizieren können. Ich bin nicht sonderlich
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