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Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition)

Titel: Koma: Kriminalroman (Ein Harry-Hole-Krimi) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Pistole, Kaliber neun Millimeter, ins Gesicht geschossen worden und damit basta.
    Ein paar Wochen später hatte Anton Laura von dem Schlagstock erzählt. Und sie hatte ihn zu guter Letzt davon überzeugt, diesen Fund doch noch zu melden. Es sei nicht an ihm, die Entscheidung darüber zu treffen, wie wichtig der Fund war. Also war er zu seinem Chef gegangen und hatte alles erzählt.
    »Eine grobe Fehleinschätzung«, lautete das Urteil des Polizeipräsidenten. Und der Dank für seine Bemühungen, an seinem freien Tag etwas zu den Mordermittlungen beizutragen, war der Ausschluss aus allen operativen Einsätzen gewesen. Stattdessen durfte er im Büro den Anrufbeantworter spielen. Auf einen Schlag hatte er alles verloren. Und wofür? Niemand sprach es laut aus, aber René Kalsnes war allgemein bekannt als kaltes, gewissenloses Schwein, das Freunde wie Feinde hinterging. Die meisten waren vermutlich froh, dass die Welt von ihm erlöst worden war. Der größte Hohn war aber, dass die Kriminaltechnik keine Spuren fand, die den Schlagstock mit dem Mord in Verbindung brachten. Nach drei Monaten Gefangenschaft in seinem Büro hatte Anton die Wahl, verrückt zu werden, zu kündigen oder sich um seine Versetzung zu bemühen. Deshalb hatte er seinen alten Freund und Kollegen Gunnar Hagen angerufen, der ihm dann den Job bei der Polizei in Oslo verschafft hatte. Gunnars Angebot war karrieremäßig zwar ein Rückschritt, dafür war Anton aber wieder unter Leuten und Verbrechern mitten in Oslo, und das war deutlich besser als die stickige Luft in Drammen, wo alle nur versuchten, Oslo zu kopieren, wo die kleine Polizeiwache sich Präsidium nannte und wo selbst die Anschrift wie ein Plagiat klang. Grønland 36 statt Grønlandsleiret in Oslo.
    Anton hatte den höchsten Punkt der Steigung erreicht. Sein rechter Fuß drückte automatisch das Bremspedal, als er das Licht sah. Seine Reifen fraßen sich durch Split und Schotter. Dann stand der Wagen still. Der Regen hämmerte auf die Karosserie und übertönte fast das Brummen des Motors. Die Taschenlampe gut zwanzig Meter vor ihm wurde gesenkt. Die Scheinwerfer fingen die Reflexe des orangeweißen Absperrbandes und der gelben Warnweste der Polizei auf, die der Mann mit der Taschenlampe trug. Er winkte ihn näher heran, und Anton fuhr noch ein Stück weiter. Genau hier, hinter der Absperrung, war Renés Wagen von der Straße abgekommen. Sie hatten einen Kranwagen mit Stahlwinde gebraucht, um das Autowrack flussauf bis zu dem stillgelegten Sägewerk zu ziehen, wo sie es dann an Land geholt hatten. Sie hatten die Leiche von René Kalsnes richtiggehend freistemmen müssen, da sich der gesamte Motorblock bis ins Wageninnere geschoben hatte.
    Anton drückte auf den Fensterheber und ließ die Scheibe herunter. Kalte, feuchte Nachtluft strömte herein. Dicke Regentropfen klatschten auf den Rand der Scheibe und schleuderten dünne Spritzer auf seinen Hals.
    »Und?«, sagte er. »Wo …?«
    Anton blinzelte. Er brachte den Satz nicht zu Ende. Es kam ihm so vor, als hätte die Zeit irgendwie einen Sprung gemacht wie in einem schlecht geschnittenen Film. Er wusste nicht, was geschehen war, nur dass er für einen Moment weg gewesen sein musste. Dann starrte er auf die Glassplitter auf seinem Schoß, blickte wieder auf und registrierte, dass der obere Teil des Seitenfensters kaputt war. Er öffnete den Mund und wollte fragen, was los war. Hörte ein Pfeifen in der Luft, ahnte, was das war, und wollte den Arm heben, war jedoch zu langsam. Er hörte das Knacken, bevor er registrierte, dass das Geräusch von seinem eigenen Kopf kam. Irgendwas war da kaputtgegangen. Noch einmal hob er den Arm und schrie. Bekam die Hand auf den Schaltknüppel geschoben, wollte den Rückwärtsgang einlegen, aber es ging nicht, alles lief irgendwie in Zeitlupe. Er wollte die Kupplung kommen lassen und Gas geben, doch dann würde er nur weiter nach vorne fahren, auf die Böschung zu, den Abgrund, den Fluss. Vierzig Meter. Die reinste … die reinste … er zerrte am Schaltknüppel, hörte den Regen seltsam deutlich und spürte die kalte Nachtluft an der linken Seite seines Körpers. Jemand hatte die Tür geöffnet. Die Kupplung, verdammt, wo war sein Fuß? Rückwärtsgang. So.
    Mikael Bellman starrte an die Decke und lauschte auf das beruhigende Trommeln des Regens auf dem Dach. Holländische Ziegel. 40 Jahre Haltbarkeit, mit Garantie.
    Ulla hatte ihren Kopf auf seine Brust gelegt.
    Sie hatten miteinander geredet.

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