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Koma

Koma

Titel: Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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sie keineswegs unter Halluzinationen litt.
    Panik ergriff sie. Sie war gefangen, sofern sie nicht in den Tunnel lief. Doch davor schreckte sie trotz aller Angst vor dem Verfolger zurück. Der gegenüberliegende Bahnsteig? Sie sah über die beiden Schienenstränge zur anderen Seite. Zwischen den Gleisen ragten Stahlträger auf, gerade so weit auseinander, daß sie sich zur Not hindurchquetschen könnte. Aber unmittelbar neben den Trägern verliefen auf beiden Seiten die Stromschienen, von denen Susan wußte, daß sie genügend Volt hatten, um zu einer tödlichen Gefahr zu werden.
    Etwa sechs bis sieben Meter hinter dem Tunneleingang endete die Reihe der senkrechten Träger; gleichzeitig wechselten die Stromschienen auf die Außenseiten der Gleise. Susan nahm an, es würde nicht allzu schwierig sein, die paar Schritte in den Tunnel zu laufen und hinter den Trägern auf die andere Seite zu klettern. Auf diese Weise konnte sie die Stromschienen umgehen.
    Als der Mann keine zwanzig Meter mehr von Susan entfernt war, schnippte er die Zigarette auf die Gleise. Er schien etwas aus der Tasche holen zu wollen. Einen Revolver? Nein, es war kein Revolver. Ein Messer? Schon eher.
    Susan brauchte keinen weiteren Ansporn mehr. Sie nahm das Paket mit der Schwesterntracht in die rechte Hand, ging in die Hocke, stützte sich mit der Linken auf die Bahnsteigkante und sprang die knapp anderthalb Meter auf den Gleiskörper. Sie landete auf den Füßen und fing den Aufprall geschickt ab. Blitzschnell richtete sie sich wieder auf und rannte in den Tunnel.
    Panik hatte sie jetzt vollständig ergriffen, und nach wenigen Schritten stolperte sie über die Holzschwellen. Sie fiel seitwärts auf die Stromschiene zu. Instinktiv ließ sie das Paket los, riß die Arme hoch und stieß sich von einem Stahlträger ab. Sie verfehlte die tödliche Schiene nur um Zentimeter. Beim Aufprall stieß sie mit der linken Hand gegen ein loses Stück Holz, das gegen die Stromschiene und auf den Boden prallte. Ein blendender Blitzstrahl und ein dumpfer Knall waren die Folge; scharfer Brandgeruch stieg auf, das Holzstück war völlig verkohlt.
    Trotz eines stechenden Schmerzes im Fußgelenk raffte sich Susan sofort wieder auf. Sie riß ihr Paket an sich und versuchte, auf den Schwellen weiterzurennen. Gleich hinter den Bahnsteigen, noch in der Tunnelmündung, gab es mehrere Weichen, und auf den nächsten Metern liefen Schienen und Schwellen scheinbar wirr durcheinander. Susan hatte keine Zeit, sich zu orientieren. Sie stürmte weiter. Aber ihr nachschleppender linker Fuß verfing sich zwischen zwei Schienen. Wieder stürzte sie der Länge nach hin.
    Jeden Moment erwartete sie, ihren Verfolger über sich zu sehen. Mühsam richtete sie sich auf einem Knie auf. Weiter kam sie zu ihrem Entsetzen nicht: Der linke Fuß saß fest zwischen den beiden Schienen. Je mehr sie zog, desto größer wurde der Schmerz im Knöchel. Verzweifelt bückte sie sich und zog mit beiden Händen an ihrem Bein. Sie wagte nicht zurückzublicken.
    Plötzlich zerriß ein ohrenbetäubendes Kreischen die Luft. Keuchend und nach Atem ringend ließ Susan ihr Bein los. Sie fürchtete, ihr sei etwas passiert, aber bis auf den Fuß war sie heil und am Leben. Dann erklang das Kreischen wieder: Das Geräusch war in der unterirdischen Röhre so durchdringend, daß Susan unwillkürlich beide Hände an die Ohren preßte. Dennoch drang das Kreischen schmerzhaft in ihre Gehörgänge. Und da wußte sie, was es war: der Zug! Es handelte sich um das Warnsignal eines näherkommenden Zuges.
    Susan sah in das schwarze Tunnelloch, und aus der Dunkelheit blickte ihr der einzelne Scheinwerfer wie ein brennendes Auge entgegen. Gleichzeitig hörte und spürte sie das Vibrieren von mehreren hundert Tonnen Stahl, die auf sie zubrausten. Und dann gab es ein neues Geräusch, noch durchdringender als der Sirenenschrei: Stahl knirschte auf Stahl, als die Räder des Zuges in einem verzweifelten Notbremsungsversuch blockierten. Aber vergebens. Wucht und Geschwindigkeit waren zu groß.
    Susan hatte keine Ahnung, zwischen welchen Schienen ihr Fuß festsaß, und ob es dieselben waren, die den Zug mit tödlicher Präzision heranbrachten. Der Scheinwerfer schien direkt auf sie zuzukommen. Mit der Kraft äußerster Verzweiflung riß sie ihren Fuß aus dem Stiefel und warf sich blindlings in die Richtung des stadtauswärts führenden Schienenstrangs.
    Hände und Arme dämpften den Aufprall, und instinktiv rollte sie sich wie ein Ball

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