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Koma

Koma

Titel: Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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zusammen, bedeckte den Kopf mit den Armen. Schleifen, Zittern und Kreischen steigerten sich zu einem höllischen Crescendo, und der Zug raste kaum anderthalb Meter an ihr vorbei.
    Einige Augenblicke war Susan unfähig, sich zu bewegen. Sie konnte einfach nicht glauben, was geschehen war; ihre Hände waren naß von Schweiß, und der Puls raste wie wahnsinnig. Aber sie lebte, und bis auf ein paar Beulen und Abschürfungen schien alles in Ordnung zu sein. Ihr Mantel war zerrissen und mit Öl verschmiert, mehrere Knöpfe hatten das Weite gesucht. Ihre Stifte und die kleine Taschenlampe waren verschwunden, lagen irgendwo im Tunnel verstreut. Ein Ohrteil des Stethoskops war verbogen.
    Langsam stand sie auf und bürstete mit den Händen den gröbsten Schmutz von sich. Dann befreite sie ihren Stiefel. Wie zum Hohn genügten dazu jetzt ein Biegen der Sohle und sanftes Ziehen. Als sie ihn angezogen hatte, sah sie, wie mehrere Männer mit Lampen auf sie zugelaufen kamen.
    Als man ihr zurück auf den Bahnsteig half, erschien Susan das ganze Abenteuer schon wie ein Produkt ihrer Einbildung. Hatte sie vollkommen die Kontrolle über sich verloren? Auf dem ganzen Bahnsteig gab es keinen Mann im dunklen Mantel, statt dessen eine aufgeregte Menschenmenge. Die Leute schrien sich gegenseitig zu, was passiert war und was nun zu passieren hätte. Jemand fand ihr Päckchen auf den Schienen und brachte es ihr.
    Nein, wiederholte Susan immer wieder, sie sei nicht verletzt. Sie überlegte, ob sie von dem Mann berichten sollte, aber sie konnte einfach nicht mit letzter Gewißheit sagen, was wirklich geschehen und was Phantasie war. Fest stand, daß sie sich von Panik hatte überrollen lassen und immer noch unter einer gewissen Schockwirkung stand. Es gelang ihr nicht, einen klaren Gedanken zu fassen, und mehr als alles andere wollte sie nach Hause.
    Doch es dauerte ungefähr noch eine Viertelstunde, bis sie die Zugbesatzung davon überzeugt hatte, daß alles in Ordnung war. Nein, sie war ausgerutscht und auf die Schienen gefallen, sonst nichts. Nein, sie brauchte keinen Krankenwagen. Sie wollte nur zur Park Street fahren und dort in die Huntington-Linie umsteigen. Schließlich konnte Susan mit allen anderen einsteigen, die Türen schlossen sich, und der Zug fuhr los.
    Im Licht des Wagens besah sich Susan ihre Kleidung. Dann fiel ihr auf, daß der Mann ihr gegenüber sie anstarrte. Auch die Frau neben ihm starrte sie an. Susan sah sich im Wagen um. Alle starrten sie an, als wäre sie nicht zurechnungsfähig. Als der Zug den Tunnel verließ, blickte Susan aus dem Fenster. Im Wagen herrschte immer noch eisiges Schweigen, und niemand wandte den Blick von ihr.
    Endlich hielt der Zug im Bahnhof Charles Street. Erleichtert stieg Susan aus. Sie rannte den Bahnsteig entlang und auf die Straße. Vor dem Drugstore erwischte sie ein Taxi. Erst dann konnte sie wieder frei atmen. Sie sah auf ihre Hände, die immer noch zitterten.

 
Mittwoch
25. Februar
13 Uhr 30
     
    Bis halb zwei Uhr mittags hatte Bellows bereits einen prall ausgefüllten Arbeitstag hinter sich. Rein körperlich war er nicht müde, denn er war an seine Arbeitsabläufe gewöhnt, aber er fühlte sich seelisch erschöpft und war ausgesprochen nervös. Dabei hatte der Tag recht angenehm begonnen, als er aufwachte und Susan an seiner Seite liegen sah. Den gemeinsamen Abend hatte er sehr genossen, obwohl er im Hinblick auf die Dauer der Affäre seine Zweifel hatte. Susan verkörperte schwerlich den Typ Mädchen, den er für seine Flucht aus dem Berufsstreß gewöhnt war. In Bellows’ Vorstellung herrschte die Großäugig-Naive vor, und genau das war Susan wirklich nicht. Zu seiner freudigen Überraschung und allen Befürchtungen zum Trotz war der Sex mit Susan problemlos und natürlich gewesen, obwohl die aggressive Grundstimmung fehlte, die Bellows als normal empfand.
    Aufzustehen, während sie in seinem Bett weiterschlief, hatte ihm eine ganz bestimmte Befriedigung vermittelt. Er fühlte sich in der traditionellen Männerrolle. Wäre sie mit ihm zusammen aufgestanden und zur Arbeit in die Klinik gefahren, hätte das seine Märtyrerrolle beeinträchtigt. Und Bellows brauchte dieses Märtyrergefühl für sein inneres Gleichgewicht.
    Eben dies Gleichgewicht aber wurde von anderer Seite bedroht; denn sobald er im Memorial aufkreuzte, geriet der Tag aus dem Gleis. Zu seinem Entsetzen erschien Stark überraschend zur Frühvisite und war spürbar übel gelaunt. Gleich zu Anfang hatte er sich

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