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Koma

Koma

Titel: Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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sie kam, und die Wand gegenüber bestanden vom Boden bis zur Decke aus Spiegelglas. Die beiden Seitenwände waren fleckenlos weiß. In dieser totalen Unterschiedslosigkeit ging das Gefühl für Entfernungen völlig verloren. Als Susan in den gegenüberliegenden Spiegel sah, hatte sie den Eindruck grenzenloser Weite.
    Der Saal war mit mehreren Reihen weißer Plastikstühle ausgestattet. Auch hier kam das einzige Licht von der Fußbodenbeleuchtung, die seltsame Schatten an die Decke malte. Susan wollte sich gerade setzen, als in der entfernten Spiegelwand eine Tür aufglitt und eine hochgewachsene Frau erschien. Sie ging auf Susan zu. Das mittelbraune Haar trug sie sehr kurz geschnitten, die Augen lagen tief in den Höhlen, und der Nasenrücken bildete eine Linie mit der Stirn. Susan fühlte sich an eine Gestalt aus der klassischen Sagenwelt erinnert. Die Frau war in einen weißen Hosenanzug gekleidet und trug keinen Schmuck. Ein Taschen-Strahlenmeßgerät steckte in der Jacke. Ihr Gesichtsausdruck war völlig neutral.
    »Willkommen im Jefferson-Institut. Ich heiße Michelle. Ich werde Ihnen unsere Anlage zeigen.« Die Stimme war ebenso ausdruckslos wie ihr Gesicht.
    »Herzlichen Dank. Ich heiße Susan Wheeler. Soviel ich weiß, haben Sie mich erwartet.« Sie ließ den Blick durch den Saal schweifen. »Auf jeden Fall sind die Räume hier das Modernste vom Modernen. So was habe ich noch nie gesehen.«
    »Wir haben Sie erwartet. Aber bevor wir anfangen, möchte ich Sie warnen: Drinnen ist es sehr warm. Ich empfehle Ihnen, den Mantel hierzulassen. Und legen Sie bitte auch die Tasche ab.«
    Susan zog den Mantel aus und schämte sich etwas ihrer schmutzigen und verknitterten Schwesterntracht, die sie immer noch anhatte. Sie nahm ihr Notizbuch aus der Tasche.
    »Also«, begann Michelle, »Sie wissen sicherlich: Das Jefferson-Institut ist ein Krankenhaus für Intensivpflege. Mit anderen Worten, wir nehmen hier nur chronische Intensivpflegefälle auf. Die meisten unserer Patienten befinden sich in verschiedenen Stadien von Koma. Dies Krankenhaus hier wurde als Pilotprojekt entworfen und gebaut, und zwar aus Mitteln des Gesundheitsministeriums, obwohl die Unterhaltung privatwirtschaftlich betrieben wird. Die Anstalt hat die Krankenhäuser der Stadt äußerst wirksam entlasten können, indem in den Intensivstationen Betten für akute Fälle frei wurden. In Anbetracht des großen Erfolgs, den dieses Projekt hatte, wird zur Zeit in fast allen größeren Städten des Landes ein gleichartiges Institut gebaut oder befindet sich zumindest in der Planung. Untersuchungen haben ergeben, daß jede Stadt oder jedes Ballungsgebiet mit einer Bevölkerungszahl von über einer Million eine solche Einrichtung wirtschaftlich unterhalten kann … Verzeihung, aber warum setzen wir uns nicht?« Michelle zeigte auf zwei Stühle.
    »Vielen Dank.« Susan nahm Platz.
    »Im Jefferson-Institut gilt für Besuche eine genaue Regelung«, fuhr Michelle fort. »Das liegt an der Methode zur Versorgung unserer Patienten. Wir haben hier ganz neue Techniken entwickelt, und wenn die Besucher darauf nicht vorbereitet sind, kann das zu unerwünschten Reaktionen führen. Nur die nächsten Verwandten sind zugelassen, und zwar alle zwei Wochen einmal, nach einem genau verabredeten Plan.«
    Michelle unterbrach ihren Monolog und zeigte die Spur eines Lächelns. »Ich darf hinzufügen, daß Ihr Besuch äußerst ungewöhnlich ist. Normalerweise empfangen wir hier jeden zweiten Dienstag im Monat eine Medizinergruppe, und für die gibt es ein Standardprogramm. Aber da Sie allein sind, kann ich wohl etwas improvisieren. Übrigens, wir haben einen kurzen Einführungsfilm, wenn Sie den sehen möchten …«
    »Doch, schon.«
    »Gut.«
    Ohne jedes erkennbare Zeichen von Michelle wurde der Saal plötzlich dunkel, und auf der Wand vor ihnen lief ein Film an. Susan war sprachlos über soviel Perfektion. Sie vermutete, daß ein Stück der Wand durchsichtig war und als Bildschirm diente.
    Der Film selbst erinnerte Susan an alte Wochenschauen. Seine überholte Technik stand in merkwürdigem Kontrast zur ultramodernen Umgebung. Im ersten Teil wurde ausführlich das Konzept eines Intensivkrankenhauses erläutert. Man sah und hörte, wie der Minister für Gesundheitswesen, Erziehung und Wohlfahrt die Frage mit Planern, Rationalisierungsexperten und Medizinern erörterte. Graphiken zeigten die emporschnellenden Pflegekosten für Langzeit-Intensivpatienten in normalen Krankenanstalten. Die

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