Koma
Science-fiction-Film. Eine Maschine, die eine Gruppe von Menschen ohne eigenes Denkvermögen völlig in der Hand hat und lenkt. Es ist fast, als wären das gar keine Menschen mehr.«
»Das sind keine Menschen.«
»Wie bitte?« Susan wandte den Blick von den Patienten ab und sah Michelle scharf an.
»Das waren früher einmal Menschen. Jetzt handelt es sich um hirnlose Humanpräparate. Die moderne Medizin und die medizinische Technologie haben einen Standard erreicht, der es erlaubt, diese Organismen am Leben zu erhalten, manchmal auf unabsehbare Zeit. Das Ergebnis dieser Entwicklung war eine Kostenexplosion, die in keinem Verhältnis zum Effekt stand. Das Gesetz schreibt vor, Leben zu erhalten. Darum lag es an der Technologie, das Problem vernünftig und realistisch zu lösen. Das hier ist das Ergebnis. Dieses Krankenhaus ist dafür eingerichtet, bis zu tausend derartige Fälle gleichzeitig zu versorgen.«
Irgend etwas an Michelles monotoner medizinischer Philosophie vermittelte Susan ein unbehagliches Gefühl. Auch konnte sie sich des Eindrucks nicht erwehren, daß Michelle sorgfältig geschult worden war, von wem auch immer. Offenbar stellte sie das, was sie von sich gab, vor sich selbst gar nicht in Frage. Dennoch, dachte Susan, war sie nicht hergekommen, um über die philosophischen Grundlagen dieser erstaunlichen Institution zu meditieren. Die physischen Aspekte, der reine Augenschein waren schon überwältigend genug. Und sie mußte mehr sehen. Aufmerksam schaute sie sich im Saal um. Er war über dreißig Meter lang; die Deckenhöhe schätzte sie auf fünf bis sieben Meter. Der Irrgarten der Schienen in der Decke war für sie nicht zu entschlüsseln.
Am entfernten Saalende entdeckte Susan eine weitere Tür. Sie war geschlossen. Aber diesmal handelte es sich offenbar um eine normale Tür mit Klinke und Schloß. Susan schätzte, daß nur die Türen, durch die sie bis dahin gekommen waren, zentral kontrolliert und gesteuert wurden. Schließlich gelangten die meisten Besucher, vor allem die Angehörigen, nie weiter als bis in die Besuchsstation.
»Wie viele Operationssäle hat das Jefferson-Institut?« erkundigte sich Susan.
»Überhaupt keinen. Die gibt es hier nicht. Es handelt sich um eine Pflegeeinrichtung für chronische Fälle. Wenn ein Patient akute Behandlung braucht, wird er in die Anstalt zurückverlegt, die ihn hierher überwiesen hat.«
Die Antwort war so schnell erfolgt, daß sie fast wie ein Reflex wirkte. Susan erinnerte sich sehr genau an die OPs auf den Geschoßgrundrissen, die sie sich in der City Hall besorgt hatte. Sie lagen im oberen Stockwerk. Susan konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß Michelle log.
»Keine Operationssäle?« Susan tat mit Absicht höchst überrascht. »Wo machen Sie denn Noteingriffe, zum Beispiel Tracheotomien?«
»Hier, in der Hauptstation, oder nebenan im Besuchssaal. Die Intensivstation dort kann bei Bedarf in einen kleinen OP verwandelt werden. Aber das kommt ganz selten vor. Wie ich schon sagte, ist dies ein Krankenhaus für chronische Behandlung.«
»Trotzdem hätte ich nicht daran gezweifelt, daß es hier auch einen Operationssaal gibt.«
Plötzlich fuhr Susan zusammen. Unmittelbar vor ihr wurde ein Patient wie von Geisterhand zurückgekippt, so daß der Kopf fünfzehn Zentimeter tiefer als die Füße lag.
»Das ist ein gutes Beispiel für die Arbeitsweise des Computers«, hörte sie neben sich Michelles Stimme. »Wahrscheinlich hat er einen Abfall des Blutdrucks festgestellt. Jetzt wird der Patient zunächst automatisch in die Beckenhochlagerung gebracht, bevor der Computer die Ursache für den sinkenden Blutdruck beseitigt.«
Nach dem ersten Schrecken hörte Susan kaum noch hin. Sie überlegte angestrengt, wie sie sich die Chance verschaffen könnte, auf eigene Faust eine Expedition in diese fremde Welt zu unternehmen. Vor allem wollte sie die Operationssäle sehen, die auf den Plänen eingezeichnet waren.
»Einer der Gründe für meinen Besuch hier war mein Wunsch, einen bestimmten Patienten zu sehen. Er heißt Berman, Sean Berman. Können Sie mir sagen, wo er ist?«
»Nein, jedenfalls nicht auf Anhieb. Um die Wahrheit zu sagen, wir nennen die Patienten hier nicht mit ihren Namen, sondern sie bekommen Musternummern für den Computer: Muster 1, Muster 2, und so weiter. So läßt sich alles viel leichter programmieren. Um Bermans Nummer herauszufinden, muß ich den Computer befragen. Das dauert nicht einmal eine Minute.«
»Ich würde es
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