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Koma

Koma

Titel: Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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offen, darunter trug der Mann ein weißes T-Shirt, das Kelley an seine Zeit in der Kriegsmarine erinnerte. Die linke Brusttasche des Fremden war mit Schraubenziehern, Kugelschreibern und einem Lineal zum Platzen gefüllt und mit dem Hinweis »Sauerstoff AG« bestickt.
    »Hatte keine Ahnung, daß hier jemand ist«, grunzte Kelley.
    »Ich auch nicht«, sagte der Mann in Khaki.
    Die beiden musterten einander einen Augenblick. Der Khaki-Mann trug einen kleinen grünen Zylinder für komprimiertes Gas mit einem Manometer am Stutzen. »Sauerstoff« stand in großen Buchstaben auf der Metallflasche.
    »Ich heiße Darell«, sagte der Mann. »John Darell. Tut mir leid, daß ich Sie erschreckt habe. Hab’ die Sauerstoffleitungen zum zentralen Vorratstank überprüft. Scheint alles in Ordnung zu sein, bin gerade fertig und auf dem Weg nach draußen. Können Sie mir sagen, wo’s langgeht?«
    »Klar. Durch die Tür da, die Treppe rauf in die Haupthalle. Dann können Sie sich’s aussuchen. Rechts ist die Nashua Street, links die Causeway Street.«
    »Tausend Dank auch.« Darell ging zur Tür. Kelley sah ihm nach. Dann blickte er ungläubig in die Runde. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, wie Darell unbeobachtet in den Raum gekommen war. Hörte und sah er wirklich nichts, wenn er mit dem verdammten Papierkram beschäftigt war?
    Nachdenklich ging er zu seinem Pult zurück. Ein paar Minuten arbeitete er, dann fiel ihm etwas ein. Im ganzen Boilerraum gab es keine Sauerstoffleitungen. Kelley nahm sich vor, Peter Barker, den Stellvertreter des Hausverwalters, zu fragen, was es mit den Kontrollen der Sauerstoffröhren auf sich hatte. Leider aber besaß Kelley außer für seine technischen Hobbys gar kein Gedächtnis.

 
Montag
23. Februar
15 Uhr 36
     
    Die dichte Wolkendecke hatte es in Boston an diesem Tag kaum richtig hell werden lassen, und gegen halb vier setzte die Abenddämmerung endgültig ein. Man mußte schon seine Phantasie sehr anstrengen, um sich vorzustellen, daß irgendwo da oben jenes Gestirn am Himmel stand, dessen Strahlen im Sommer den Asphalt auf der Boylston Street zum Kochen brachten. Das Thermometer war beträchtlich unter Null gesunken. Wieder trieb der Wind die kleinen kristallenen Flocken durch die Straßen der Stadt. An den Krankenhausgebäuden brannte seit einer guten halben Stunde das Außenlicht.
    Wer im Lampenschein der Bibliothek saß, mußte meinen, draußen herrsche schon finsterste Nacht. Das hohe Fenster hielt der zunehmenden Kälte nicht stand, und die Zugluft bahnte sich unter Tischen und Stühlen ihren Weg durch den Raum. Erst als sie kalte Füße bekam, ließ Susans bis dahin phänomenale Konzentration etwas nach.
    Ihr war es ergangen wie so oft, wenn sie sich in ein wissenschaftliches Thema vergrub. Je mehr sie über den Begriff Koma las, desto deutlicher spürte sie ihre Unwissenheit. Zunächst einmal war sie überrascht, wie viele medizinische Spezialgebiete dabei berührt wurden. Ihre Frustration erreichte den Höhepunkt, als sie feststellte, daß der Begriff »Bewußtsein« überhaupt nicht zu definieren war, es sei denn, man sagte, wenn jemand bei Bewußtsein war, dann war er eben nicht bewußtlos. Die Definition des einen bedeutete das Gegenteil des anderen. Dies erschien Susan höchst unlogisch, bis ihr klar wurde, daß die medizinische Wissenschaft einfach noch nicht so weit fortgeschritten war, um Bewußtsein im physischen Sinn präzis definieren zu können. Sich bei vollem Bewußtsein zu befinden oder aber in vollständiger Bewußtlosigkeit (im Koma) zu sein, das erschien ihr wie die beiden Endpunkte einer Zustandskurve, auf der es Zwischenstationen gab, zum Beispiel Verwirrungszustände oder Stupor. Und ihr ging auf, daß die ungenauen Definitionen mehr ein Eingeständnis der Unwissenheit als Schlamperei waren.
    Dennoch fand Susan genug Einzelheiten und Charakteristika über den Zustand des Koma. Unter der selbstgewählten Überschrift »Akutes Koma« füllte sie Seite um Seite in ihrem Notizheft.
    Ihr besonderes Interesse galt der Entstehung und den Ursachen. Da wissenschaftlich nicht entschieden schien, welche spezifische Gehirnfunktion aussetzte, mußte sie sich auf die Ursachen konzentrieren. Für ihr Thema war lediglich die schlagartig einsetzende Bewußtlosigkeit von Bedeutung, und damit reduzierte sich die Auswahl. Trotzdem blieb mehr als genug übrig. Susan überflog noch einmal ihre Liste möglicher Ursachen:
    Trauma: Gehirnerschütterung, Gehirnquetschung,

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