Koma
Schlaganfall.
Sauerstoffmangel: 1. mechanische Entstehung – Strangulierung, blockierte Luftröhre, mangelnde Zufuhr, 2. Lungenanomalie – z.B. Bläschenbildung, 3. Gefäßblockierung – gestoppte Blutzufuhr zum Hirn, 4. zellulare Blockade der Sauerstoffverarbeitung.
Ferner: Kohlensäure erhöht (Kohlendioxyd), Hyper-/Hypoglykämie – Blutzucker zu hoch oder zu niedrig, Azidose – übermäßiger Säuregehalt im Blut, Urämie – Nierenversagen, infolgedessen zuviel Urinsäure im Blut, Hyper-/Hyponaträmie, Leberversagen – vermehrte Giftstoffe, die normalerweise von der Leber entgiftet werden, Chemikalien und Drogen …
Für die letzte Kategorie stellte Susan eine spezielle Liste zusammen und ließ hinter jeder Eintragung Platz für mögliche Schlußfolgerungen. Die Liste wurde länger und länger: Alkohol, Amphetamine, Antihistamine, Arsenik, Barbiturate, Bisulfide, Bromide, Cannabis, Chloralhydrat, quecksilberhaltige Diuretika, Insulin, Jod, Kohlenmonoxyd, Kohlentetrachlorid, Kohlenwasserstoffarten, Krampfmittel, Methylbromid, Methylchlorid, Naphtalin, Narkotika, Opiumderivat, Phenol, Salizylat, Sulfide, Sulfonamid, Vitamin D, hypnotische Wirkstoffe …
Susan wußte, daß ihre Aufstellung alles andere als komplett war, aber wenigstens hatte sie nun einen Rahmen für die nötigen Nachforschungen und für die Zuordnung von Symptomen, der sich jederzeit erweitern ließ.
Als nächstes nahm sie sich die ihr informativ erscheinende Allgemeinliteratur vor, schlug den dicken Band »Grundsätze der inneren Medizin« auf und las alles, was sich mit Koma beschäftigte. Ein zweiter, ähnlicher Wälzer bestätigte ihre Erkenntnisse. Sie verfügte jetzt über einen einigermaßen gründlichen Überblick, allerdings tappte sie in bezug auf die Nutzanwendung noch ganz im dunkeln. Getreulich notierte sie auch die zahlreichen Literaturhinweise und stellte fest, daß sie wahre Berge von Papier würde konsumieren müssen.
Erst einmal stand sie auf, reckte sich und gähnte. Ihre kalten Füße versuchte sie durch ausgiebiges Zehenwackeln wiederzubeleben. Da sie nun schon einmal stand, wagte sie sich an das umfangreiche Register für medizinische Fachzeitschriften heran, das alle Artikel einzeln aufführte.
Sie fing mit den neuesten Bänden an. Jeden Beitrag über akutes Koma notierte sie, ebenso alle Artikel, die unter folgende Rubriken fielen: anästhetische Komplikationen, verzögerte Wiedererlangung des Bewußtseins. Als sie beim Jahresband 1972 angekommen war, hatte Susan eine Liste von 37 Zeitschriftenbeiträgen beisammen, die ihr lesenswert erschienen.
Vor allem ein Titel weckte ihr Interesse: »Akute Koma-Fälle im Boston City Hospital«. Er stand im Journal of the American Association of Emergency Room Physicians, Band 21, August 1974, S. 401-403. Sie suchte den entsprechenden Zeitschriftenband heraus und war gleich darauf in den Beitrag vertieft. Beim Lesen machte sie sich eifrig Notizen.
Erst als Bellows sie ansprach, wurde sie seiner gewahr. Er war in die Bibliothek gekommen, hatte sie entdeckt und sich ihr direkt gegenübergesetzt. Sie hatte nicht einmal aufgeblickt. Bellows hatte es mit anhaltendem Räuspern versucht, aber ohne Erfolg. Susan schien wie in Trance.
»Habe ich die Ehre mit Dr. Susan Wheeler?« Als Bellows sich über den Tisch beugte, fiel sein Schatten auf Susans Lektüre.
Endlich reagierte sie. »Aha, und Sie scheinen Dr. Bellows zu sein.« Susan lächelte.
»Gott sei Dank. Dachte schon, Sie säßen im Koma.« Bellows nickte langsam, als bestätigte er eine Diagnose.
Erneut breitete sich Schweigen aus. Bellows hatte sich eine Art Standpauke zurechtgelegt, die vor allem dazu dienen sollte, Susan klarzumachen, daß sie nicht beliebig Vorlesungen schwänzen konnte. Aber als er ihr jetzt gegenübersaß, kam er sich vor wie ein Segelboot in plötzlicher Flaute. Und Susan schwieg, weil sie abwarten wollte, was er auf dem Herzen hatte. Die Stille wurde langsam peinlich.
Schließlich erbarmte sich Susan.
»Mark, ich bin hier auf interessante Dinge gestoßen. Sehen Sie sich mal diese Aufstellung an.«
Sie stand auf, beugte sich über den Tisch und hielt den Band so, daß Bellows Einblick nehmen konnte. Bellows bekam unerwarteterweise eine ganz andere Art von Einblick. Er ertappte sich, wie er statt auf die wissenschaftliche Expertise in Susans Ausschnitt starrte. Der dünne, fast durchsichtige Büstenhalter verstärkte noch den atemberaubenden Eindruck. Susans Haut war glatt und würde sich,
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