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Koma

Koma

Titel: Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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ihr Name ausgerufen. Der Ton des Lautsprechers war zwar gedämpft, aber Susan verstand dennoch, daß sie Apparat 482 anrufen sollte.
    Sie ließ die Bücher auf den Tisch gleiten und zögerte, die Hände auf die Rückenlehne eines Stuhls gestützt. Sie fühlte sich hin und her gerissen zwischen der ihr auferlegten Pflicht, die ihr befahl, umgehend die angegebene Nummer anzurufen, und der Herausforderung, das Rätsel um die Koma-Fälle zu lösen. Die Wahl war nicht einfach. In der Vergangenheit hatte Susan sich stets und erfolgreich an die Regeln gehalten. Sie wußte: Sonst wäre sie jetzt nicht im Memorial. Und ihre gegenwärtige Position war wichtig für sie, nicht zuletzt, weil sie eine Frau war. Alle Frauen im medizinischen Beruf neigten zu Konservativismus, weil sie eine Minorität darstellten und sich ständig wie auf dem Prüfstand fühlten.
    Doch dann fiel ihr Nancy Greenly ein, die hilflos auf der Intensivstation lag. Und sie mußte an Berman denken, an die leblose Gestalt im Aufwachsaal. Für sie waren das nicht nur Patienten, sondern Menschen mit Schicksalen, mit ihren eigenen Tragödien. Und sie wußte, was sie zu tun hatte. Die Medizin hatte ihr schon viel zu viele Kompromisse abverlangt. Diesmal würde sie sich so verhalten, wie es ihr richtig erschien.
    »Laßt mich in Frieden mit eurem Apparat 482«, sagte Susan halblaut und vertiefte sich in das Werk über anästhetische Komplikationen.

 
Montag
23. Februar
14 Uhr 45
     
    Bellows klopfte ungeduldig auf das Telefon, Hausapparat 482. Jede Sekunde erwartete er das Klingeln. Und er wollte den Hörer sofort abnehmen, damit das Läuten die anderen nicht störte. Im Hintergrund war die leiernde Stimme des emeritierten Medizinprofessors Dr. Allen Druery zu hören, der im Memorial die Einführungsvorlesungen für Chirurgiepraktikanten hielt. Die vier Studenten verloren sich fast in der Leere des großen Konferenzsaals. Er war einfach zu groß und zu kalt für die wenigen Zuhörer, und der Vortragende nahm sich am Pult vor den vielen leeren Sitzreihen ein wenig lächerlich aus.
    Von seinem Platz sah Bellows nur die Rücken seiner Schutzbefohlenen. Goldberg schrieb verbissen mit, als wollte er jedes Wort festhalten. Druerys Vorlesung war ganz interessant, aber bestimmt nicht zum Mitschreiben geeignet. Doch Bellows kannte das Syndrom, hatte es tausendmal beobachtet und bis zu einem gewissen Grad auch an sich selbst erlebt. Sobald das Licht gedämpft wurde und jemand zu sprechen anfing, reagierten viele Studenten ganz automatisch, griffen zum Stift und brachten zu Papier, soviel sie nur konnten, ohne sich über den Inhalt Gedanken zu machen.
    Bellows tat es jetzt leid, daß er Susan erlaubt hatte, der Vorlesung fernzubleiben. In einer so kleinen Gruppe fiel es immer auf, wenn eine Person fehlte, und noch dazu das einzige weibliche Wesen. Bellows befürchtete außerdem, daß Stark hereinschneien könnte, um die Gruppe zu begrüßen. Natürlich würde er sich fragen, wo die fünfte Person, die junge Dame, steckte, und was sollte er dann sagen? Daß Susan bei einer Operation assistierte? Aber das würde gleich am ersten Tag unglaubwürdig klingen.
    Der Gedanke an Stark hatte ihn schließlich ans Telefon getrieben, um Susan ausrufen zu lassen. Es durfte keinen Präzedenzfall geben. Am besten, dachte er, sagte er einfach, sie würde sehr vermißt und sollte sich umgehend in den zehnten Stock begeben. Jawohl, er würde den Ausdruck »sehr vermißt« gebrauchen, das konnte sie dann auslegen, wie sie wollte.
    Bellows hatte sich nämlich entschlossen, mit Susan anzubändeln. Es war ein Wagnis, gewiß, aber es schien das Risiko wert. Susan war intelligent und steckte voller Temperament, und Bellows mochte wetten, daß sie eine phantastische Figur hatte. Die Frage ihrer Anschmiegsamkeit oder dessen, was Bellows darunter verstand, mußte einstweilen offenbleiben. Bellows’ Vorstellungen von Weiblichkeit stammten aus einer früheren Generation. Er verlangte von seinen Freundinnen nicht zuletzt, daß sie sich seinem strengen Zeitplan unterordneten. Was Susan betraf, war es möglicherweise ganz günstig, daß ihre beiden Terminpläne in den kommenden Monaten ziemlich übereinstimmten. Und wenn alles andere schiefging: Susan Wheeler war mit Sicherheit ein interessanter Fall fürs Bett.
    Nur, leider, meldete sie sich nicht. Ungeduldig wählte Bellows noch einmal die Nummer der Zentrale und bat, den Aufruf für Dr. Wheeler zu wiederholen. Die Minuten verstrichen. Womöglich,

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