Koma
erschien, blickten alle kurz auf, um sich sofort wieder ihren dringenden Arbeiten zuzuwenden. Susan, darauf bedacht, ihre Unerfahrenheit nicht deutlich werden zu lassen, nahm sich ohne Zögern eines der Formulare vor. Während sie vorgab, sich ganz auf das Blatt zu konzentrieren, machte sie sich in Wirklichkeit intensiv mit ihrer Umgebung vertraut.
Im Hintergrund, etwa vier Meter von Susan entfernt, stand ein großer Arbeitstisch aus Kunststoff, darüber hing ein Schild: Auskunft. Susan mußte lächeln: Die Aufschrift paßte hundertprozentig zu ihrem Vorhaben. Hinter dem Tisch saß ein Mann, bewegungslos, mit selbstzufriedener, göttergleicher Miene. Er war um die Sechzig, etwas dicklich, aber tadellos gekleidet. Hinter ihm ragte eine weitere Trennwand auf, und durch das Glas schimmerten die metallenen Garnierungen der elektronischen Apparatur. Während Susan scheinbar mit ihrem Formular beschäftigt war, nahm der Mann am Tisch mehrere ausgefüllte Fragebogen entgegen. Er überprüfte jedesmal die Angaben und übertrug das Auskunftsersuchen in die Computersprache. Für diese Eintragungen benutzte er den unteren Teil des Fragebogens. Außerdem überprüfte er die Berechtigung jeder Anfrage. Sofern er die jeweiligen Kunden nicht persönlich kannte, fragte er telefonisch in der betreffenden Abteilung nach. Dann erst legte er den Fragebogen – oder mehrere aneinandergeheftet – in den Eingangskorb an der Schreibtischecke. Der Fragesteller wurde darüber informiert, wann er die gesuchte Auskunft erwarten könnte. Das hing im allgemeinen vom Dringlichkeitsvermerk auf dem Formular ab.
Nachdem sich Susan mit der Prozedur vertraut gemacht hatte, widmete sie sich voll und ganz ihrem Fragebogen. Auf den ersten Blick gab es da kaum Schwierigkeiten. In das dafür reservierte Karo trug sie das Datum ein. Das Kästchen, in dem die Auskunft suchende Stelle oder Abteilung spezifiziert werden sollte, ließ sie einstweilen frei und überging zunächst auch, wer die Genehmigung zur Datenanfrage erteilt hatte und zu wessen Lasten die Kosten verbucht werden sollten. Sie konzentrierte sich nur auf die Information, die sie benötigte. Aus mehreren Gründen war Susan nicht ganz sicher, wie sie ihre Anfrage formulieren sollte. Einmal hielt sie es für möglich, daß die Krankenhausverwaltung bei Koma-Fällen in Verbindung mit Anästhesie nicht so ohne weiteres Auskünfte erteilte. Vielleicht war der Computer für diese spezielle Anfrage sogar blockiert oder so programmiert, daß er sich bei einem derart heiklen Thema durch ein Signal bemerkbar machte. Außerdem, dachte Susan, konnte es durchaus sein, daß eine Krankheit oder ein bestimmter Krankheitsverlauf mehrfach spezifiziert war. Koma im Anschluß an Narkoseverabreichung war am Ende nur eines von einer Reihe von Symptomen. Susan aber brauchte möglichst viele Informationen, um dann selbst herausfinden zu können, was für ihre Nachforschungen von Bedeutung war.
Fragte sie den Computer aber nach allen Koma-Fällen aus dem vergangenen Jahr, war die Antwortliste möglicherweise viel zu umfangreich. Da Koma eben nur ein Symptom, nicht aber eine Krankheit an sich charakterisierte, würde man ihr womöglich alle Fälle von Herzattacken, Schlaganfällen, sogar von Krebs im letzten Stadium nachweisen. Susan beschloß, ihre Anfrage auf Koma-Fälle einzugrenzen, in denen die Patienten an keinerlei chronischen oder sonstigen Krankheiten gelitten hatten, die ihre Konstitution schwächen konnten. Aber sofort ging ihr auf, daß sie hier von einer keineswegs bestätigten Annahme ausging. Wenn sie auf der Spur einer neuen Form von Erkrankung war, gab es nicht den geringsten Grund, warum davon nicht auch Leute mit anderen Krankheiten befallen werden konnten. Ganz im Gegenteil: Sofern diese geheimnisvolle Krankheit infektiös war, konnte sie durch verminderte Widerstandskräfte des Patienten nur begünstigt werden.
Also bezog Susan ihre Anfrage schließlich auf all jene Fälle von Koma, die in keiner Relation zu den bis dahin bekannten Krankheiten oder Krankheitsverläufen der betreffenden Patienten standen. Das Ergebnis dieser Anfrage setzte sie in einem zweiten Computerauftrag mit Operationsfällen in Verbindung: Welche dieser Koma-Fälle hatten sich in unmittelbarem Zusammenhang mit einem chirurgischen Eingriff im Memorial ereignet? Die Übersetzung dieser Anfragen in die Computersprache machte Susan doch einige Mühe, aber aus gutem Grund konnte sie sich hierbei nicht auf fremde Hilfe verlassen.
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