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Koma

Koma

Titel: Koma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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Radiowecker summte, schien es Susan, als wäre ihr die Trennung vom warmen Bett noch nie so schwer gefallen. Trost und Ermunterung kamen einzig von der Musik. Die Linda-Ronstadt-Klänge vermittelten erfreuliche Assoziationen, und anstatt das Radio abzustellen, lag sie ganz still da und lauschte der Melodie. Als das Lied zu Ende ging, war Susan vollends wach, und die Ereignisse des vergangenen Tages kehrten in ihr Bewußtsein zurück. Bis drei Uhr nachts hatte sie konzentriert über dem ansehnlichen Stapel medizinischer Zeitschriftenartikel gebrütet, über den an ästhetischen Fachwerken, ihrem eigenen Lehrbuch der inneren Medizin und einem Werk über klinische Neurologie. Ihr Notizenberg war enorm gewachsen, und die Literaturhinweise erstreckten sich inzwischen auf mehr als hundert weitere Artikel, die sie noch aus den Bänden in der Bibliothek heraussuchen mußte. Das ganze Projekt war zunehmend komplexer geworden; Susan sah sich vor eine kaum mehr überschaubare Herausforderung gestellt. Doch ihre Aufgabe faszinierte sie, und um nichts in der Welt hätte sie wieder davon ablassen mögen. Um so mehr war ihr bewußt, daß sie an diesem Tag einen weiten Weg zurücklegen mußte.
    Duschen, Anziehen und Frühstück wurden deshalb in Rekordzeit absolviert. Beim Kaffee rekapitulierte sie ihr Material und merkte an Hand ihrer Aufzeichnungen, daß von den letzten Artikeln ihrer Nachtlektüre nicht viel hängengeblieben war. Sie würde sie noch einmal lesen müssen.
    Auf dem Weg zur Haltestelle an der Huntington Avenue wurde sie mit der Tatsache konfrontiert, daß sich das Wetter über Nacht nicht zum Besseren gewandelt hatte. Nicht zum erstenmal verfluchte Susan Bostons Nordlage. In dem klapprigen Straßenbahnwagen fand sie mit Glück einen Sitzplatz und konnte einen Teil des Computerbogens vor sich auf dem Schoß ausbreiten. Sie wollte noch einmal genau die Zahl der Fälle prüfen, die sich auf ihr Vorhaben bezogen.
    »Susan, sieh mal an, was für eine Überraschung! Erzähl mir bloß nicht, du kämst heute zur Vorlesung?«
    Sie blickte auf und direkt in das grinsende Gesicht von George Niles, der sich an den Haltegriff über ihr klammerte.
    »Ich würde doch nie eine Vorlesung schwänzen, George, das müßtest du wissen.«
    »Sieht so aus, als hättest du sogar die Visite verpaßt. Es ist schon nach neun.«
    »Dann gilt ja wohl dasselbe für dich.«
    »Mir hat man einen ultimativen Marschbefehl zum Studentenarzt ausgestellt«, erwiderte Niles. »Der sollte feststellen, ob von der gestrigen Galavorstellung im OP ein komplizierter Schädelbasisbruch übriggeblieben ist.«
    »Sag mal, mit dir ist doch alles okay?« fragte Susan, jetzt wirklich besorgt.
    »Keine Bange, alles bestens. Muß nur mein zerstörtes Ego wieder zusammenleimen. Das ist das einzige, was bei der Angelegenheit etwas abbekommen hat. Aber der Arzt sagte, das könne nur die Zeit heilen.«
    Susan gestattete sich ein Lachen, und Niles stimmte ein. Die Bahn hielt.
    »Also, Miss Wheeler, ich muß schon sagen. Am ersten Tag in der Chirurgie sich die halbe Zeit unsichtbar machen und am nächsten Morgen die Visite schwänzen, das ist eine reife Leistung.« George hatte die Miene eines resignierten Chefarztes aufgesetzt. »Nicht mehr lange, und Sie können sich um den Titel ›Phantomstudent des Jahres‹ bewerben. Mit diesem Trainingspensum ist der Rekord von Phil Greer im zweiten Pathologiejahr bald eingestellt.«
    Susan würdigte ihn keiner Antwort und wandte sich statt dessen ihrem IBM-Bogen zu.
    »Was treibst du da eigentlich, wenn wir schon mal dabei sind?« hakte Niles nach. Er schraubte sich um die eigene Achse bei dem Versuch, einen Blick auf den Bogen zu werfen.
    »Wenn du’s genau wissen willst: Ich bereite meine Dankrede für den Nobelpreis vor. Weißt du, ich würde dir ja gern alles erzählen, aber du könntest die Vorlesung versäumen.«
    Die Bahn polterte in den Tunnel hinab und begann die Unterquerung der City. Das Geratter machte jedes Gespräch unmöglich. Susan versank ganz in ihrer Computer-Nachlese. Sie mußte sich der Zahlen hundertprozentig sicher sein.
     
    Die Privatbüros und Konsultationsräume der Ärzte auf Beard 8 ähnelten denen von Beard 10. Susan ging den Flur entlang und blieb vor Nummer 810 stehen. Die Tür war aus altem, aber glänzend poliertem Mahagoni und trug in schwarzen energischen Buchstaben die Aufschrift: Medizinische Abteilung – Professor J. P. Nelson.
    Nelson war der Chef-Internist, sozusagen Starks professioneller

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