Komisch - die Liebe
Gefahr.
Seit drei Tagen haben wir nicht telefoniert.
Und was nützt mir nun die ganze Bilanziererei?
» W as machst du heute Abend?« Die Stimme aus dem Handy schlüpft auf kürzestem Wege in mein Herz, wie üblich. Als ich ihren Namen
auf dem Display gelesen habe, überkam mich ein merkwürdiges Gefühl. Eine Art Euphorie, die sich in meine Eingeweide gräbt,
mir die Brust mit einem Schlüssel in Form eines Lächelns öffnet und mir das Herz zerreißt.
»Keine Ahnung. Nichts. Und du?«
»Wollen wir zusammen essen gehen?«
»Gut. Wo willst du hin?«
»Das darfst du entscheiden. Mir ist alles recht, weißt du ja. Ich habe einfach Lust, dich zu sehen.«
Ich lache mir still in den nicht vorhandenen Bart. Ich bin Alice im Wunderland und sie das weiße Kaninchen. Nein, umgekehrt.
Sky Giant
von Transglobal Underground.
»Aperitif um acht in der Buchhandlung am Kino?«
»Du Schuft. Viertel nach acht … ich muss noch duschen.«
»Wenn du sowieso zu Hause bist, können wir uns ja auch bei mir oder dir treffen.«
»Nein, nein, da können wir ja später noch hin. Lass uns ein bisschen rausgehen, es ist so schön heute. Ich habe den ganzen
Tag drinnen gesessen. Wir könnten spazieren gehen. Es ist überhaupt nicht kalt.«
»Sicher?«
»Ja.«
»O.k. Dann bis später. Einen Kuss.«
»Küsse.«
Bin ich wie Ikarus, der zu nahe an der Sonne fliegt? Vielleicht.
Ich schließe den Laden. Ich kaufe ein paar Leckereien und Wein. Fliege nach Hause. Duschen und Rasieren. Ich will ihr unterwegs
nicht begegnen. Um acht stehe ich vor der Buchhandlung. Vor
unserer
Buchhandlung.
Am liebsten würde ich eine Gedenktafel für nachfolgende Generationen anbringen.
Nach zehn Minuten steigt sie aus einem Taxi. Schön wie immer. Dieses Lächeln! Der ganze Kosmos reagiert auf sie. Wie kann
man nur so viel Glück haben? Sie ist wegen mir hier. Sie umarmt mich. Fest.
Wein, Reden, Lachen. Wir gehen hinaus und laufen ein paar Schritte. Wir zwei.
»Willst du bei mir etwas essen?«, schlage ich vor.
»Nette Idee. Kochst du?«
Im Aufzug küssen wir uns wie beim ersten Mal.
Wir betreten meine Wohnung. Sie sagt nichts zu dem Gestank und küsst mich weiter.
Wir schlafen miteinander. Das haben wir seit fast einer Woche nicht mehr getan.
Wir küssen uns überall. Nichts anderes existiert mehr. Nichts auf der ganzen Welt. Nur zwei wundervoll vereinte Körper. Wir
zwei.
Clelia, süße Clelia, warum mag ich dich nur so sehr? Warum sehe ich nur in deinen Augen das Leben, die Liebe, den Frieden?
Welchen Zaubertrank hast du mir eingeflößt? Gib mir mehr davon. Ich will mehr!
Heilige Megäre.
Wir duschen gemeinsam. Wir massieren uns, lachen, seifen uns ein, küssen uns wieder. Ich möchte sie auffressen, schon wieder.
Verzehren mit meinen Liebesbissen.
Du gefällst mir, verdammt noch mal, Clelia! Ich bin verrückt nach dir! Wie ist das möglich? Woher kommtdiese ganze Kraft? Woher kommt diese selige und verderbliche Energie? Dieses süße Gift? So kann man nicht leben. Ich schaffe
das nicht. Es ist größer als ich. Es ist wunderbar unerträglich.
Und du, meine Clelia? Was sagt dein geliebtes Herz? Schlägt es so wild wie das meine mit jedem deiner Atemzüge? Mit jedem
Schritt von dir? Was sehen deine schönen Augen, wenn du mich anschaust? Sag es mir, Clelia, bitte. Ich frage dich, erschöpft,
ermattet, entkräftet, hier auf dem Schweißtuch meiner Liebe.
»Morgen fahre ich weg …« Sie sagt es so dahin, während sie mir den Rücken abtrocknet.
Sie sieht mich nicht. Ich sehe sie nicht. Rocky Balboa hat mich mit einem seiner berühmten linken Haken mitten ins Gesicht
getroffen. Ein Schlag, so heftig, dass ich aus dem Ring fliege.
Ich fliege.
Werft das Handtuch, ich bin tot.
»Aha … Wohin fährst du?« Ich drehe mich um, kalt, eisig, erfroren wie der Eisberg der
Titanic
, und sehe sie an.
»Eine kleine Austausch-Tour. Das Prager Symphonieorchester schickt seine gesamten Streicher nach Rom, und wir fahren nach
Prag.«
»Wie schön. Ich war noch nie in Prag.«
»Es ist wunderschön.«
»Und wann kommst du zurück?« Ich bin so richtig, richtig in Plauderlaune …
»In einer Woche.«
Entschuldige, Clelia, gerade habe ich gesagt, dass ich noch nie in Prag war, warum fragst du nicht, ob ich mitkommen will?
Zumindest übers Wochenende. Die Buchhandlung? Wen interessiert schon die Buchhandlung! Ich fackele sie ab und fahre mit dir
nach Prag. Zu dir. Für dich. Was tue ich hier, wenn du nicht da
Weitere Kostenlose Bücher