Komisch - die Liebe
lass mich bitte schlafen. Ich flehe dich an. Der Vollmond blendet mich. Ich bin aufgewühlt. Schlafe schlecht.
Denke an Clelia. Kann nicht schlafen. Trinke Calvados. Schlafe ein.
Ich schlafe schlecht.
Morgens stehe ich auf. Üblicher Ablauf.
Ich nehme den Roller. Fahre zur Buchhandlung. Verkehr wie gewohnt. Sie legen auf mich an. Ich weiche aus. Sie legen an. Ich
weiche aus. Sie legen an. Sie erwischen mich. Ein Vollidiot hinter dem Steuer eines Rovers rammt mein Hinterrad. Ich stürze.
Das Mofa landet auf meinem rechten Bein. Ich bin verletzt. Ziemlich sogar. Der Roller auch. Sie ziehen uns hoch. Polizei und
Krankenwagen. Mein Knöchel tut verdammt weh. Ich bin im Recht und der Vollidiot aus dem Rover im Unrecht. Während das Protokoll
aufgenommen wird, schließe ich mühsam das Motorino an, doch als ich ein paar Schritte tun will, sehe ich Sterne, aber richtig
übel …
Notaufnahme. Ich warte eineinhalb Stunden.
Läsion des
Ligamentum tibiotalare posterius
, das sich auf der
Facies talaris mediales
befindet …
Was zum Teufel soll das heißen? Erklärt es mir.
»Nichts Schlimmes, Sie können beruhigt sein. Sie müssen sich schonen und dürfen den Fuß nicht belasten.«
Ja, schön, wie soll das gehen? Wer geht in die Buchhandlung?
»Mindestens eine Woche Schonhaltung.«
Eine Woche? Und wer geht mit mir aufs Klo? Wer kocht für mich? Himmelarschundzwirn!
»Sie können gehen.«
Sie legen mir eine Stützvorrichtung an und geben mir Krücken. Ich bin ein einbeiniger Enrico Toti, der wutschnaubend mit Prothese
in den Krieg zieht. Ich rufe ein Taxi.
Unter unendlichen Mühen schließe ich die Buchhandlung auf. Ich lege
Strangers
von Ed Harcourt auf. Ich setze mich und arrangiere das Bein so, dass es höher liegt. Aus der Bar lasse ich mir Kaffee und
Eiswürfel für den Knöchel bringen. Es tut höllisch weh. Ich nehme Schmerztabletten und komme langsam wieder runter.
Ich bitte die Kunden, sich selbst zu bedienen. Von meinem Schmerzensstuhl aus zeige ich ihnen, wo sie die Bücher finden. Ich
beuge mich zur Kasse hinüber. Kurz: Ich tue was ich kann und wie ich es kann.
Ich hasse Rover.
Mittags lasse ich den Laden auf, um mich nicht bewegen zu müssen. Ich verzehre ein wahnsinnig tristes Tramezzino, rufe Luca
an. Er ist auf Sardinien. Ich probiere es bei Fabio. Er steht auf einer Baustelle außerhalb Roms.
Ich weiß nicht, wen ich sonst noch anrufen soll.
Ich höre jemanden eintreten und schaue mich ärgerlich um.
»Es ist geschlossen!«
»Was ist denn mit dir passiert?«
Luisa sieht mich an wie einen lahmen Marsmenschen.
»Ein Unfall …«
»Wann denn? Wie geht es dir?«
Ich erzähle ihr die Kurzfassung. Sie wirkt ehrlich betroffen und teilnahmsvoll. Sofort übernimmt sie meinePflege. Sie bleibt eine ganze Weile in der Buchhandlung. Wir erzählen. Ganz entspannt. Sie hilft den Kunden, indem sie meinen
Anweisungen folgt. Es ist witzig zu sehen, wie sie sich an diesem unsäglichen Beruf des Buchhändlers versucht.
Um fünf geht sie und sagt, dass sie zum Ladenschluss wiederkommt, um mir zu helfen, wenn sie es schafft. Total nett. Zum Glück
kommt nur noch ein Kunde. Um fünf vor sieben beginne ich das große Manöver. Ich ziehe das Bein hoch, was tierisch weh tut.
Es fühlt sich an, als verdichtete sich mein gesamtes Körperblut im Knöchel. Er klopft, als schlügen sämtliche Trommeln von
Sergio Mendes’
Fanfarra
darin.
Ich hasse Rover.
Auf allen vieren begebe ich mich Richtung Ausgang. Ein Schatten schiebt sich vor das Licht der Straße.
»Hier kommt die Kavallerie!«
Luisa steht im Gegenlicht in der Tür, sie sieht aus wie eine Comic-Heldin. Ein Glück, dass
Wonder Woman
zurück ist. Ich strecke mich auf dem Rücken aus und stoße einen Seufzer der Erleichterung aus.
»Danke …«
Diese Schmerzen.
L uisa ist ein Engel. Sie bringt mich nach Hause. Sie macht mir etwas zu essen.
Ich kann nur Musik auflegen.
Together in Electric Dreams
von Lali Puna.
Sie ist richtig nett und witzig. Sie macht ein paar Anspielungen auf unsere biblische Begegnung und beginnt dann, gezielte
Fragen zu stellen.
»Wie heißt sie?«
»Wer?«
»Die Frau, in die du verliebt bist …«
Ich winde mich nach Kräften, aber sie wird immer freundlich-forscher und intelligent-forschender. Sie gibt nicht nach. Ich
will sowieso nichts lieber, als mit jemandem über Clelia reden, also gebe ich nach.
Ich erzähle ihr meine Liebesgeschichte. Von meiner Verliebtheit. Wie unpassend sie ist.
Weitere Kostenlose Bücher