Komisch - die Liebe
es befürchtet. Deshalb
wollte ich es dir nicht sagen, wollte dich aber auch nicht anlügen. Lass uns reden … Ich bin hier. Ich küsse dich.«
Ich habe nicht geantwortet.
Was soll ich da schon antworten?
Was soll ich ihr schreiben? »Aber nein, keine Sorge. Du hast alles goldrichtig gemacht. Meine Schuld, dass ich mich in dich
verliebt habe.«
Lächerlich.
Oder: »Du blöde Kuh, du kannst mich mal mit deinem Alessio und deinem Scheißcello!«
Ich fühle mich noch mieser.
Hier bin ich nun und versinke in meinem Schmerz. Dieses Mal ist es ein echter Schmerz. Ein physischer Schmerz. Unerträglich.
Ich habe keinen Hunger. Ich habe Magenschmerzen. Ich schlafe schlecht. Ich habe sie vier Tage weder gesehen noch gehört. Ich
will niemanden sehen. Ich will mit niemandem reden. Luisa hat angerufen, aber ich bin nicht rangegangen. Ich habe ihr geschrieben,
dass ich durcheinander bin und wir ein anderes Mal telefonieren müssen. Mit Luca genauso. Ich hasse es, anderen etwas vorzujammern.
Es ist eine beschissene Situation, aber das geschieht mirganz recht. Ich habe es verdient. Kaum bin ich einmal von meinem stoischen, pragmatischen und bequemen Weg abgewichen, haut
es mich in diese schmerzhafte Lage.
Ich wusste es, ich hätte mich nicht verlieben sollen. Welchen Sinn hat das? Und dann noch in eine, die genauso ist wie ich?
Eine unstete Person, die keine feste Beziehung möchte? Wie oft hat sie mir das gesagt, wieder und wieder? Und was mache ich?
Rase geradewegs auf den Abgrund zu, uneinsichtig. Idiot! Ein blinder Idiot.
Ich wäre wirklich gern König Salomon: der König der Gerechten, der König der Liebe. Aber ich bin nur Nino. Ein kleiner Nino,
sehr menschlich und sehr eifersüchtig, der sich von der Frau betrogen fühlt, die er liebt. Ich bin auch nur aus Fleisch und
Blut und kann ihr nicht vergeben. Kann nicht so tun, als wäre nichts gewesen. Die Schmach vergessen, die Beleidigung, den
Schmerz. Clelia vergessen und meinen Traum von der Liebe.
Scheiße, geht’s mir mies. Ich bin enttäuscht von ihr, von mir, vom Leben. Ich hatte angefangen, an ein »uns« zu denken, aber
»uns« gibt’s nicht. Ist pure Illusion, wie die Liebe. Eine dumme und sinnlose Illusion.
Das Handy klingelt. Clelia. Ich sehe auf das blinkende Display. Das Herz klopft mir bis zum Hals. Ich sehe ihren Namen aufleuchten.
Mein Herz ist auf dreitausend. Wer hat bloß diese Handys erfunden? Mein Herz liegt in Stücken. Ich gehe nicht ran.
Hier bin ich. Bewegungsunfähig in meinem Schmerz.
Ich verkaufe Fachliteratur für Anwälte, Richter und Steuerberater.
Willkommen zu Hause, Nino. Zu Hause, wo es nach nassem Hund stinkt.
Willkommen zurück.
» K ann ich in der Buchhandlung vorbeikommen?«
Heute bekam ich diese SMS von Clelia. Ich habe nicht geantwortet. Ich weiß jetzt noch nicht, was ich antworten sollte. Ich
hänge fest auf dem Nino von vor einigen Tagen. Betrübt. Sauer. Enttäuscht. Verliebt.
Svefn-g-englar
von Sigur Rós.
Aus Angst, dass mich jemand in der Mittagspause erwischt, schließe ich exakt um 13 Uhr ab und gehe nicht zu Gianni. Um Punkt
16 Uhr mache ich wieder auf. Ich will niemanden sehen. Ich esse Tramezzini in irgendwelchen Bars und gehe in Museen. Jemand
anderen als meinen Roller ertrage ich derzeit nicht. Ihn und die verfluchte Windschutzscheibe.
In den letzten Tagen war ich in der Sixtinischen Kapelle und den Vatikanischen Museen. Ich bin über den Palatin-Hügel gestiefelt.
Habe mir eine schöne Ausstellung in den
Scuderie del Quirinale
angesehen. Ich war auf der Aussichtsterrasse des Vittorio-Emanuele-Denkmals auf der Piazza Venezia. Nach dreißig Jahren war
ich mal wieder im Kolosseum, inmitten von Leuten aus aller Herren Länder.
Clelia fehlt mir. Ich lenke mich ab, so gut ich kann, aber sie fehlt mir. Nichts zu machen. Heute besichtige ich die Galleria
Borghese, wo ich zuletzt mit fünfzehn war. Ich habe sie in wunderschöner Erinnerung. Eine Freundin meiner Mutter arbeitete
damals dort, Lucia, und um sie zu treffen, ging ich häufig dorthin. Sie führte mich durch die Säle und erzählte mir Geschichten
zu den Kunstwerken, die bis heute Teil von mir sind. Ich war damals ineiner komischen Phase, in der Pubertät eben. Ich wirkte wie ein kleiner, etwas kindischer Intellektueller, zumindest in den
Augen meiner Freunde und Eltern.
Aber weit gefehlt. Ich war rasend verliebt, in Lucia. Kein Tag verging, an dem ich nicht in Gedanken an sie onanierte. Sie
war
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