Komisch - die Liebe
sagen.«
»Nichts. Ehrlich, gar nichts ist passiert.«
Gianni zögert, dann lächelt er und schlägt mir auf die Schulter. »Du bekommst sofort einen Tisch.«
So viele Menschen. Zu viele. Mir vergeht der Appetit. »Nein, danke, ich muss los. Ich wollte nur kurz Hallo sagen. Wir sehen
uns morgen.«
Er antwortet nicht. Sieht mich nur stumm an. Alter weiser Mann. Er umarmt mich und kehrt zu seinen Gästen zurück. Guter Gianni.
Ich steige auf mein Motorino und drehe eine Runde über den Aventin. Beim Orangengarten halte ich an, dann fahre ich weiter
nach San Saba. Wie schön dieses Viertel ist. Ich entdecke ein Restaurant im Freien, auf einem netten Platz. Kahl, aber wunderschön.
Ich setze mich, esse etwas. Alle sind nett, und ich fühle mich wohl. Heimisch. Heute keine Museen. Heute Spaghetti mit Venusmuscheln
und Pinot Bianco.
Gerne würde ich mir etwas vormachen und einreden, dass ich glücklich bin, aber ich schaffe es nicht, mich derart zu belügen.
Ich sitze allein in einem Restaurant, das ich nicht kenne. Ich sehe fröhliche Touristengruppen vorbeilaufen, müde, aber fasziniert
von dieser schaurigschönen Stadt, wie das Leben, das dich manchmal auf die Probe stellt und fragt, ob du bereit bist für Freude,
für Trauer, für das Leben an sich. Es testet dich und manchmal kommst du eine Runde weiter. Okay, du bist bereit: Jetzt musst
du dich selbst kümmern. Oder, okay, du bist bereit: Jetzt mache ich dich glücklich.
Leben, mein Leben, was hast du nur für mich vorgesehen? Daumen nach unten oder nach oben? Ich, Ninus Maximus Decimus Meridius,
Gladiator in der Arena des Kolosseum, warte auf dein Verdikt. Wisse aber, mein Freund, dass ich dich respektiere. Und ich
werde dein Urteil respektieren, sei es nun bitter oder süß. Ich liebe dich, mein Leben. Ich vertraue dir und warte ab.
Heute keine Museen. Heute Spaghetti mit Venusmuscheln, Pinot Bianco und Leben.
» I ch denke an dich.«
Warum schreibt sie mir solche Sachen, genau das, was ich hören möchte? Warum? Ich halte das nicht mehr aus. Ich wanke. Bin
von mir selbst entwurzelt. Ein Blatt im Wind.
Ich will sie, aber nicht so. Will ich sie wirklich? Irgendwann werde ich fünfzig. Ein halbes Jahrhundert. In neun Jahren.
Will ich sie in meinem halben Jahrhundert? Wirklich? Wird meine Wohnung dann noch stinken? Wird sie dieselbe sein? Werde ich
eine Terrasse haben, wo ich die Gebetsfahnen aufhängen kann, die Paolo mir geschenkt hat? Was ist wichtig? Sie? Ich? Wir?
Ich denke auch an dich.
Mir geht es genauso.
Ich schließe gerade den Laden ab, will mich in einen weiteren Zauber der Metropole flüchten. Die Appia? Den Tiber? Die Ara
Pacis?
Da kommt Maya.
»Wo gehst du hin?« Ich lache.
Sie trägt eine Sonnenbrille, hinter der ihr halbes Gesicht verschwindet. Ein großer Hut verbirgt den oberen Teil ihres Kopfes.
Ein Baumwolltuch bedeckt den Rest. Nur ich erkenne sie.
»Komm rein. Los, schnell …«, murmele ich.
Sie lacht.
Unwiderstehliche Maya. Während ich die Buchhandlung wieder aufschließe, raucht sie und betrachtet betont unbeteiligt die Auslage
im Schaufenster. Ich gehe hinein und lasse die Tür offen. Sie sieht sich um, als wäre sie vomMossad, dann endlich übertritt sie die Schwelle zu meinem Laden. Schnell schließe ich wieder ab.
Nun zieht Maya mit dem Gebaren einer Mata Hari eine Flasche Krug Millésimé aus der Tasche.
»Du darfst mir gratulieren. Ich habe heute Geburtstag.«
»Herzlichen Glückwunsch, Maya. Alles Gute!«
Wir setzen uns in mein stinkendes Wohnbürochen. Sie ist bestens gelaunt, sprudelt förmlich über vor Freude. Ich bin nicht
ganz so froh, versuche aber mitzuhalten. Sie zieht zwei Sektgläser hervor, eine Packung Beluga-Kaviar, eine Zitrone und komische
französische Croûtons.
»Und wie alt wirst du?«, frage ich, während ich den Champagner entkorke.
»Spinnst du, Nino …«
Wir stoßen an.
Die Wahnsinnige. Ein bisschen beneide ich ihn, den Ehemann, aber vielleicht auch nicht.
Nein, ganz entschieden nicht.
Sie erzählt, dass sie heute Abend mit einem Privatjet nach Paris fliegen. Dort wollen sie feiern und morgen zurückkehren.
In der Zwischenzeit lässt sie sich nicht lumpen und feiert mit mir und Kaviar und Champagner.
Ich lege Musik auf.
Wir essen, trinken und lachen. Der Krug ist vorzüglich, der Kaviar außergewöhnlich. Ein schönes Spontanevent. Als
Afrolicius Carmel Remix
von den Dining Rooms ertönt, fängt Maya erst an, ein bisschen zu wippen, dann
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