Komisch - die Liebe
ausgerechnet jetzt?«
»Nur so …«
»Bist du sicher, dass du es wissen willst?« Sie wirkt distanziert, kühl.
»Ist das denn so merkwürdig?«
»Nein … ich glaube nicht. Sicher?«
»Ja.«
Die Stimmung ist abgekühlt, die Luft fast dünn geworden. Irgendetwas stört. Etwas Kantiges. Disharmonisches. Giftiges. Wie
Haarknoten im Kamm.
»Ich habe keine Lust, es zu sagen …«
»Warum nicht?«
»Frag mich nicht.«
»Was willst du mir nicht sagen, Clelia?«
»Lass es, Nino …«
Ich stehe auf. Der Zauber ist gebrochen. Zum ersten Mal.
»Wo gehst du hin?«
Sie sieht mich an und umarmt, auf den Ellbogen gestützt, das Kopfkissen. Sie ist wunderschön, aber zu geheimnisvoll. Dieses
Spiel gefällt mir nicht.
»Ich gehe nach Hause. Es ist spät und du hast morgen Proben.«
»Nino … red’ keinen Quatsch.«
Ich ziehe mich an. »Ich meine es ernst, das ist kein Quatsch.«
»Du hast keinen Grund, jetzt sauer zu sein.«
»Ich bin auch nicht sauer.« Ich sehe sie nicht an. Es ist eine Lüge und eine große noch dazu.
»Wenn ich es dir sagen würde, wäre das weder für mich noch für dich gut.«
»Was?«
»Das, was ich dir nicht sagen will.«
Ich sehe sie an. Ich sehe sie ernst an.
»Du würdest mir das übelnehmen. Du würdest es nicht verstehen.«
»Das solltest du mir überlassen.«
»Siehst du, du bist sauer!«
Touché
.
»Entschuldigung, ich bin einfach müde und mein Knöchel tut weh.«
»Ja, ja …«
»Hör zu, Clelia, wenn du nicht darüber reden willst, vergessen wir es.«
»Das wäre mir lieber. Wenn es dir nichts ausmacht …«
»Warum sollte es? Das ist deine Sache.«
»Eben …«
»Gut. Dann gehe ich mal.«
»Tut mir leid.«
»Was denn? Du willst es doch so.«
»Das stimmt nicht.
»Das stimmt nicht?«
»Ach, Nino.«
»Scheiß auf ›ach, Nino‹! Du verschwindest tagelang, dann tauchst du wieder auf wie der junge Mond und erwartest, dass ich
dich nicht frage, warum?«
»Nein.«
»Also, was willst du dann?«
Sie sieht mich stumm an.
»Hör zu, vergessen wir es. Wirklich«, sage ich gereizt.
»Entschuldige. Bitte entschuldige. Ich wollte das alles nicht.«
»Also?«
»Setz dich. Setz dich hierher zu mir.«
Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin genervt und unschlüssig. Scheißsituation. Okay, ich setze mich.
»Es ist keine schöne Sache, nicht so leicht …«
Ich fange an, mir ernsthaft Sorgen zu machen. »Was ist passiert?«
»Ich habe dir immer gesagt, dass ich keine Beziehung möchte …«
»Ja, ja, du lässt auch keine Gelegenheit aus, mich daran zu erinnern.« Mein Tonfall ist ätzend und fies.
»Ich habe Alessio getroffen.«
»Ach … Und was war dann?«
Mein Speichel versiegt. Herzschlag unregelmäßig. Schnappatmung. Sinneswahrnehmungen verzögert. Erhöhte Schweißabsonderung.
Instabiler Blutdruck. Akutes Schlaganfallrisiko.
»Wir sind uns zufällig über den Weg gelaufen. Ich wusste nicht, dass er in Prag war. Er war wegen eines Sponsors dort und
…«
Ich unterbreche sie: »Was soll das heißen, wegen eines Sponsors? Was für ein Sponsor? Ein reicher Metzger?«
»Aber nein. Das erkläre ich dir ein anderes Mal.«
»Nein. Erklär es mir jetzt.« Ich erlaube keine Widerrede.
Sie sieht mich an, dann hebt sie den Blick zum Himmel.
»Es gibt Instrumente, die ein Vermögen kosten und die wir uns niemals leisten könnten, doch ohne uns verliert ihr Dasein jeglichen
Sinn. Und es gibt sehr vermögende Leute und Musikliebhaber, die diese Instrumente kaufen und dann verleihen, damit sie gespielt
werden. Damit sie weiterleben. Ein Anwalt in Prag hat ein wundervolles Amati, das eine Million Euro wert ist. Alessio war
zu einem Vorspiel eingeladen.«
»Sie vertrauen euch eine Million Euro an?«
»Exakt. Je mehr das Instrument gespielt wird, desto wertvoller wird es mit der Zeit, aber das tut jetzt nichts zur Sache.«
Ich nicke.
»Ich habe ihn auf der Straße getroffen. Wir haben geredet, getrunken, gegessen und …« Sie verstummt.
Ich möchte es nicht tun, aber ein anderer Nino, einer, der nicht ich bin, fordert sie auf:
»Und?«
Sie sieht mich hart an.
»Was und? Was willst du wissen, hm?«
Ich antworte nicht. Ich bin stumm wie ein toter Fisch.
»Willst du wissen, was war? Willst du es wirklich wissen?« Da ist sie wieder, die Clelia, der Unheil widerfahren ist.
Jemand anders an meiner Stelle nickt eisig.
»Wir haben zwei Tage zusammen verbracht. Komplett zusammen. Tag und Nacht. Zwei schöne Tage. Und dann hat er mich
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