Komisch - die Liebe
Seite. Das ist nicht gerade angenehm …«
»Hör mal zu, Nino …«
Ich lasse sie nicht ausreden.
»Nein, hör du mir zu. Ich weiß, wie sich das anfühlt. Ich will nicht, dass du etwas sagst. Das brauchst du nicht. Wirklich
nicht … Ich will das eine, und du willst etwas anderes. Das geht in Ordnung. Es wird vorbeigehen. Alles geht vorbei …«
Sie sieht sich um, ein bisschen verlegen. Wie oft war ich selbst in dieser unangenehmen Situation? Ist das dieNemesis? Die notwendige Katharsis auf dem Weg zur Palingenese? Na, dann gute Nacht …
»Und?«
»Und was?« Ich sehe sie herausfordernd an.
Meine Zunge möchte aus meinem Mund springen und sich auf sie stürzen. Meine Hände wollen sich von den Handgelenken lösen und
zu ihr laufen, um sie zu streicheln. Mein Herz zappelt in seinem Brustkäfig, möchte sich in die Lüfte schwingen und sich ihr
hingeben. Endgültig.
Ist das anstrengend.
»Was gedenkst du zu tun? Willst du, dass wir uns nicht mehr sehen? Sollen wir alles sein lassen?«
»Ich? Ich weiß es nicht.«
»Ist es wegen der Sache mit Alessio? Ich habe dir gesagt, dass …«
»Nein, nein, damit hat es nichts zu tun. Ich will eben einfach mit dir zusammen sein, aber du willst mit niemandem zusammen
sein. Völlig legitim. Verständlich. Das ist alles.«
»Wie gesagt. Ich kann das nicht. Das weiß ich. Das weiß ich schon jetzt.«
»Ich weiß es auch. Ich bin wie du … war wie du.«
»Ich würde uns beiden nur weh tun und das will ich nicht. Dazu mag ich dich zu sehr.«
»Klar …« Ich nicke bitter.
»Also?«
»Also was? Komm, hör auf damit. Du weißt doch selbst, wie es enden wird. Lass es sein.«
H ier sitze ich und drehe sie in den Händen. Sehe sie an. Wiege sie. Sie scheint aus der Eiszeit zu stammen. Dem Zeitalter der
Vereisten Herzen. Dabei ist sie aus diesem Jahrtausend der Liebe. Von vor wenigen Monaten. Zwei? Zweieinhalb? Drei? Wie die
Dinge sich ändern.
Aber sie hatte mir ja gesagt, dass sie heiraten würde. Witzig. Askas Heiratsanzeige ist eine wunderschöne Postkarte. Voller
Grazie. Elegant und originell. Ein Origami in limitierter Auflage. In vier Tagen heiratet sie ihren Akira. Was mich aber am
meisten zum Lachen bringt, ist das beigelegte Foto. Es ist mit dem Handy aufgenommen. Ich kann nur hoffen, dass sie das nicht
allen geschickt hat … Es zeigt mich schlafend mit seligem Lächeln, und die Morgensonne, die Sonne des Ostens natürlich, die
auf mein müdes, aber entspanntes Gesicht fällt. Befriedigt. Glücklich träumend. Wahrscheinlich träume ich gerade von meiner
kleinen Madame Butterfly.
Sweet Tides
von Thievery Corporation. Clelia hatte mein Leben noch nicht geentert, und ihr Name war noch nicht in meinem Herzen verankert.
Sie war lediglich eine Vision im Regen.
Regen. Wenn nur ein Regenguss käme und mir den Schmerz abwaschen würde. Die Erinnerung. So, aus dem Nichts heraus, wie er
mich aus dem Nichts heraus getroffen hat. Weiße Magie, die mich von diesen Liebesfesseln befreit. Von dieser dummen Verliebtheit,
die mich an ihre Augen bindet.
CLELIA.
Cupido lobt eroberter Liebe idyllischen Anfang.
Charmant liebende Ekstase, leidenschaftlich inniger Akt.
Charaktervoll lügend, ehrenwert liegend in Agonie.
Chronisch langsam entwurzelt läppisch illusorischer Alb.
Chaotische Liebe, erodierende Lust, intimer Affront.
Causa Liebesnot egoistisch leidender Idiot – Adieu.
Scheiß Akronyme.
So haben wir also Schluss gemacht. Ohne viele Worte. Wir sind alt genug. Erwachsene Tiere, die das Leben kennen. Wir haben
Schluss gemacht, ohne je begonnen zu haben. Das ist, wie wenn du die Einweihungsparty für deine neue Wohnung organisierst:
Du schuftest wie ein Brunnenputzer, klotzt jeden Tag ran, bereitest alles bis ins Kleinste vor und am Abend bist du so müde,
dass du dein Fest nicht genießen kannst. Nicht dabei bist. Gar nicht erst hingehst. Kein Fest.
Wir sind auf einem Sondergleis gereist. Einem Zaubergleis. Im ICE der Liebe. Beim ersten Bahnhof haben wir die Geschwindigkeit
gedrosselt, haben angehalten und sind nicht wieder losgefahren. Das Gleis ist tot. Nutzlos.
Ich weiß, wie das endet, ich habe es zu oft erlebt, von der anderen Seite aus gesehen.
Es funktioniert nicht.
Was nicht funktioniert, funktioniert nicht.
Karl Marx schrieb: »Wenn du liebst, ohne Gegenliebe hervorzurufen, das heißt, wenn deine Liebe als Lieben nicht die Gegenliebe
produziert, wenn du durch deine Lebensäußerung als liebender Mensch
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