Komische Voegel
verrückt, und nach etwa einer Stunde kamen wir zu einem gemütlichen Pfannkuchenhaus mit rot karierten Decken auf wackligen Tischchen und dem Geist von Rien Poortvliet
zwischen den Dachbalken.
Im Gastraum lief ein Border Collie herum, ein unerzogener Hund, der seinen Besitzern, einem jungen Paar, lieber nicht gehorchte. Die beiden waren von der besonders coolen Art und fanden es ganz normal, daß ihr Hund andere Leute belästigte, schließlich war es ja ihr Hund. Eine dicke Frau stieg leise schimpfend über das Tier, das sich auf dem Boden ausgestreckt hatte, ein Kind blieb ängstlich vor ihm stehen. Der Hund rührte sich nicht. Zwischendurch ging ich eine Zigarette rauchen, draußen natürlich. Dort trieb
sich ein kleiner schwarzer Schafbock herum, der eine so mißmutige Schnute zog, daß die Zunge halb heraushing. Ich drückte meine Zigarette bald aus.
Der Hund hatte sich wieder lang auf dem Boden ausgestreckt, diesmal neben dem Stuhl von Frauchen. Er schien tief zu schlafen. Ein älterer Mann stand auf und entfernte sich unsicher, auf einen Stock gestützt, von seinem Tisch. Ein Schlaganfallpatient, vermutete ich. Er ging direkt auf den Hund zu, den er wohl gar nicht sah. Ich hielt den Atem an. Ohne den Kopf zu heben, legte der Hund seine Rute auf den Leib und zog die Hinterbeine an. Er hatte den Mann gespürt und ihn anders eingeschätzt als die dicke Frau und das Kind. Zwischen den Dachbalken hörte ich Rien Poortvliet zufrieden seufzen.
Interview
49. Woche 2008
»Liebst du Hunde?« fragte der Journalist. Ich kniete neben einem Airedale Terrier, der sich schon mehr für einen anderen, näher kommenden Hund als für mich interessierte. »Ja, sehr«, antwortete ich. »Aber diese Rasse, na ja, die ist nicht ganz ohne. Ich kenne ein Ehepaar, das einen Airedale hatte, einen Rüden. Die alte Mutter der Frau kam öfter zu Besuch, und genauso oft versuchte der Hund, die Mutter zu decken. Sie haben sich von ihm getrennt, die Mutter war es irgendwann leid.« Ich sagte nicht, daß sie sich auch ebensogut von der Mutter hätten trennen können. »Und kastrieren, war das keine Möglichkeit?« fragte der Journalist. »Das macht überhaupt keinen Unterschied«, meinte das Frauchen des
anderen Hundes, der inzwischen an der Bank vor dem Café angekommen war. Wir waren nach draußen gegangen, weil ich rauchen wollte. Es war novemberkalt, aber die Sonne schien und hatte noch Kraft.
Die beiden Hunde beschnüffelten sich gierig, umkreisten sich dann ein bißchen und sahen sich dabei schräg an. Inzwischen hatten der Journalist und ich uns auf die Bank gesetzt. Der Neuankömmling war eine Mischung, zur Hälfte Dalmatiner. Der Journalist hielt ihn für einen Welpen. Ich konnte es nicht fassen. »Siehst du nicht, daß das ein steinalter Hund ist?« fragte ich. »Dreizehn«, erklärte Frauchen, »und er hat’s am Herzen, da kann man auch nichts mehr machen.« Außerdem sei er halb taub. Aber er war ganz furchtbar lieb, das sah ich. Wir konnten nicht voneinander lassen. Sein Blick ging mir durch und durch, fast hätte ich fünftausend Euro aus der Hosentasche gezogen, um ihm doch noch zu einer Operation zu verhelfen. Das Paar mit dem Airedale Terrier entfernte sich grußlos, vielleicht verärgert über meine Muttergeschichte. Jetzt erhob sich die Frau neben uns. »Ja, wer kommt denn da?« fragte sie in dem Ton, den Leute sonst gegenüber Kleinkindern anschlagen, und sah zu einer Spaziergängerin hinüber. Der alte Hund schaute mich an. Später sprang er dann doch an Frauchens Freundin hoch. Vorsicht! dachte ich. Denk an dein Herz! Danach wäre ich eigentlich gern einen Moment allein gewesen, aber der Journalist sagte: »Bäume. Was genau fasziniert dich an Bäumen?«
Tiere im Schnee
10. Woche 2009
Ich besuchte den Tiergarten Schönbrunn, und er gefiel mir sehr, weil dort viele Tiere leben, die es in Artis nicht gibt. Der Zoo war ursprünglich die Menagerie der kaiserlichen Sommerresidenz, heute ist er durch hohe Zäune vom Schloßpark getrennt. In Wien hatte es tüchtig geschneit, aber an diesem Tag schmolz der Schnee, und ich stellte fest, daß mein linker Schuh undicht war. Außer mir waren kaum Besucher zu sehen. Dafür aber: Rentier, Japanischer Serau (gemütlich wiederkäuend), Koala (im Tiefschlaf), Bison (grübelnd, reglos), Schlangenadler und Bartgeier, Kurzkopfgleitbeutler, Brillenbär (kletterte gerade auf einen Baum), Felsen- und Königspinguin (brachten sich nicht gegenseitig um, obwohl sie im selben Gehege
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