Komische Voegel
mir versichert hatte: »Nein, nachts schläft sie, die stört dich nicht«, konnte ich mich darauf verlassen, daß die Katze die ganze Nacht mit kläglichem Geschrei an meiner geschlossenen Schlafzimmertür kratzte. Womit dann auch die Behauptung, zu Hause dürfe sie nie mit ins Bett, als Lüge entlarvt war. Ich habe mehreren Katzen einen Tritt verpaßt, daß sie durch den Flur flogen. Das war spontane Wut, dazu kam aber noch eine unterschwellige, nagende: darüber, daß die jeweiligen Herrchen und Frauchen katzenfrei Urlaub machen konnten und ich
zu Hause bleiben mußte, in Gestank und Elend. Stundenlang konnte ich mit finsterem Blick diese Fellbündel anstarren, die sich behaglich auf meinem weißen Sofa räkelten. Unerträglich. Ich lernte, hart zu sein, sagte einfach nein, wenn man mich bat, den Katzenbetreuer zu spielen, und Sjors, Cassie, Jip und Pawlow wurden anderswo untergebracht. Nur Sjors lebt noch, wo, fällt mir im Moment nicht ein, auf jeden Fall haben ihn seine früheren Besitzer nicht in ihr neues Haus mitgenommen, weil er dort alles zerkratzt und beschmutzt hätte. Auch Sjors ist einmal durch den Flur geflogen, aber daran möchte ich nicht denken, denn Mitleid ist in diesem Fall kein angenehmes Gefühl.
Fast wieder gesund
43. Woche 2008
Am 12. Oktober, nach ein paar Krankheitstagen, war das ideale Zum-ersten-Mal-wieder-raus-Wetter. Fast windstill. Ich fuhr wie ein Sonntagsradler von Heerhugowaard zum Wogmeerpolder. Unterwegs ließ eine große Weißpappel ihre Blätter auf mich fallen. Bei der Ankunft war mir schwindelig von soviel frischer Luft nach fünf Tagen im Haus. Zwei Schoonebeker Heideschafe standen allein auf einer Koppel, und obwohl diese Rasse als »wild« gilt, benahmen sie sich mir gegenüber gar nicht so. Sie benutzten meine Hände als Kratzer und nagten an meinen Daumen. Dabei verdrehten sie vor Entzücken ihre gelben Teufelsaugen. Rakker, der dunkelbraune Shetlandhengst, oft neidisch auf Kevin, das richtige Pferd, weil es auf der Weide herumlaufen darf, ließ sich die Nüstern kitzeln und leckte hingebungsvoll meine
Hand. Er biß mich nicht – für ein Shetlandpony ausnehmend nett. Ein sehr altes Mütterchen saß auf einem Stuhl in der Sonne, neben einem Tischchen mit einem kleinen Blumentopf darauf, eine Schere in der Hand. Jeder versprach, ihr eine Tasse Tee zu bringen, keiner tat es.
Ich kippte eine Schubkarrenladung Brennesseln auf Kevins Weide. Er kam nicht, als ich ihn rief. Das nehme ich ihm nicht übel. Wenn ich ein Pferd und dreißig wäre, würde ich mich auch oft stur stellen. Dafür kam ein drittes Schoonebeker Schaf auf mich zu. Ein Mutterschaf, es nahm eine einladende Haltung ein. Ich ignorierte es. Alle Böcke waren vor einer Woche in der Tiefkühltruhe verschwunden. Im Gemüsegarten standen ordentlich aufgereiht zehn Weißdornsträucher, die später einmal anderswo ausgepflanzt werden sollen. Ich schnitt sie zu einer Hecke zurecht, es machte mir Spaß. Außerdem zog ich ziemlich viel Drüsiges Springkraut aus dem Boden, die Kapselfrüchte schleuderten mir knallend die Samen um die Ohren. Nächstes Jahr darf man also auf einem dreimal so großen Stück Springkraut ausrupfen.
Als ich wieder einmal eine Schubkarre leerte, sah ich am anderen Ende der Weide Kevin stehen, reglos. Ein Kind saß auf seinem Rücken, genauso ruhig wie das Pferd, und schön aufrecht. Nachher trank ich ein Glas Weißwein mit Quittengelee auf dem Boden. Von der Konsistenz her wie Rotze, aber unvergleichlich viel süßer als meine Rotze.
Instinkt
48. Woche 2008
Wir wanderten durch die hügelige Landschaft rund um Berg en Dal. Merkwürdig sumpfig war es überall, dabei hatte es meiner Erinnerung nach in letzter Zeit nicht geregnet. Auf einer Koppel an einem Hang staksten vier dreckige Schafe herum, ein dicker, keuchender Bock war fast schwarz vor Schmutz. Ansonsten sahen oder hörten wir kein einziges Tier. Der Himmel war grau, er versprach Nieselregen. Kein Vogel rief, und wie immer fragte ich mich, wo die Vögel eigentlich stecken, wenn man sie weder hört noch sieht. In Höhlen oder anderen Unterschlupfen oder nur mäuschenstill auf Ästen? An den windgeschützten Stellen spürten wir die Schwüle und mußten unsere Herbstjacken öffnen. Es war die Sorte Wetter, die in mir den Drang erweckt, mich komplett auszuziehen und in einer dicken Laubschicht zu wälzen. Ich gab diesem Drang nicht nach, auch weil mein Wandergefährte sagte: »Nun spiel nicht verrückt.«
Ich spielte also nicht
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