Komische Voegel
werden und überleben das nicht. Hin und wieder gelingt es auch, Tiere anderswo unterzubringen; die See-Elefanten zum Beispiel sollen nach Kopenhagen umgezogen sein, und Rakker, der Schimpanse, dem die anderen Schimpansen den Enddarm aus dem Leib gerissen hatten, lebt jetzt angeblich sehr glücklich in Brasilien. Gut, gehen wir davon aus, daß diese Berichte stimmen (trotzdem: Wenn ich das nächste Mal in Kopenhagen bin, möchte ich die See-Elefan
ten mit eigenen Augen sehen). Aber wäre ich ein Tier, sagen wir, ein Klippspringer oder eine Nilgauantilope, und ich würde an Moderhinke erkranken, dann würde ich mich noch lieber zwischen den Teichhühnern ersäufen oder mir den Hals zwischen den Gitterstäben meines Geheges brechen, als mich in den Operationssaal bringen zu lassen. Denn die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß man dort umgebracht wird.
Die Verschwörungstheorie wird übrigens durch eine Äußerung des vorigen Artis-Direktors noch zusätzlich genährt: Es sei verrückt, mitten in der Stadt so viele exotische Tiere zu halten. Eigentlich sollte Artis ein großer Streichelzoo werden, fügte er hinzu. Gut möglich, daß er bei seiner Verabschiedung seinem Nachfolger (der aus der Filmwirtschaft kommt) ein geheimes Strategiepapier ausgehändigt hat. Und daß der ehemalige Produzent im stillen an einem neuen Projekt arbeitet. Einem Horrorfilm.
Bahnziege
Dienstag, 11. Oktober 2005
Heute abend waren es »Ziegen«. Öfter mal was Neues. Laub auf den Schienen, Räder mit Flachstellen, Signalstörungen, Stromausfall, vielleicht sogar ein Auto auf einem Bahnübergang – all das kennt man ja zur Genüge. Als unser Zug schon ziemlich lange auf freier Strecke stand, meldete sich eine sehr alte Dame zu Wort. Sie wußte nicht, ob sie im Hauptbahnhof noch in den Zug nach Amsterdam Amstel umsteigen oder lieber mit der Straßenbahn nach Hause fahren sollte, denn abends könne man doch leicht überfallen werden,
am Bahnhof Amstel, spätestens wenn der Supermarkt schon geschlossen habe. Und so fragte sie die völlig untätig in unserem Wagen sitzenden Schaffner, was nun mit der Ziege sei. Keine Ziegen also, nein, eine Ziege. »An sich finde ich das ja nett, soviel Aufwand für ein Tier, aber über zwei Stunden, nein, das ist doch übertrieben. Soll ich nun mit dem Zug nach Amstel weiterfahren oder die Straßenbahn nehmen? Nachts ist es da so dunkel und unheimlich, und ich möchte vor halb zwölf zu Hause sein.« Die Schaffner sagten, sie wüßten es auch nicht und hätten das alles so satt.
Irgendwo war also eine Ziege auf den Gleisen unterwegs, in der Gegend von Zaandam, und deshalb hatte die Polizei (ja, die Polizei, nicht die Bahn oder ProRail) einfach den gesamten Zugverkehr unterbrochen. Am schlimmsten ist, daß man über diese Dinge nie wieder etwas erfährt. Ich lese eine überregionale Tageszeitung, und in der wird morgen mit Sicherheit nicht stehen, was aus der Ziege geworden ist. Wurde sie gerettet? Ist sie tot? Wem gehört sie? Wie heißt (hieß) das Tier? Schrecklich, wenn man mit solchen Fragen zu Bett gehen muß.
Die Welt ist noch nicht verloren
Donnerstag, 24. November 2005
Ich glaube, es war gestern, als in den Nachrichten ein Bericht über große Überschwemmungen in Kolumbien kam. Die üblichen Bilder: Sandsäcke, eilig errichtete Notdeiche, Wasser, das durch tür- und fensterlose Häuser und über Straßen strömt, auf denen normalerweise knochendürre Hunde im heißen Staub liegen. Und dann sah ich Menschen, die
nicht andere Menschen, sondern Tiere retteten. Ein niedliches, dunkelgraues südamerikanisches Schweinchen, ein paar zerfledderte Hühner und eine sehr gepflegte Ente. Es dauerte einen Moment, bis ich begriff, glücklicherweise zoomte die Kamera besonders lange auf den nassen Mann, der die Ente ganz vorsichtig aus dem Boot hob und aufs Trockene setzte, und erst dann sah ich es wirklich: eine Ente!
Wer evakuiert bei einer Hochwasserkatastrophe eine Ente?
Eben bin ich im eiskalten Novemberregen nach Hause geradelt. Als ich nach rechts blickte, sah ich an einem Wartehäuschen die Nummern 43 und 59, in Orange. Kurz danach kam aus der Gegenrichtung ein Bus. Erwartungsvoll ließ ich ihn vorbeifahren und schaute nach der Nummer am Heck. 59! Es stimmte! Und wieder – wie gestern – dachte ich: Die Welt ist noch nicht verloren. Am Ende wird doch noch alles gut.
Korrektur
Mittwoch, 21. Dezember 2005
Vor einiger Zeit schrieb ich den schrecklichen Satz: »Wer den Hund einer behinderten Frau mit
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