Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Komm, dunkle Nacht

Komm, dunkle Nacht

Titel: Komm, dunkle Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
Vom Netzwerk:
Korridor ein. »Hat gar keinen Zweck, mir was vorzuschwindeln.« Sie drehte ihn herum, die Arme um seine Mitte gelegt, und drückte ihn heftig an sich. »Ich lasse dich nicht. Du willst mich hier haben. Ich weiß es. Dir liegt etwas an mir und ich könnte dir helfen.«
    Ihre Arme fielen von ihm ab. »Trotzdem gehe ich nach Dodsworth. Um sicherzustellen, dass den Leuten dort nichts passiert, so dass du nicht für den Rest deines Lebens Schuldgefühle haben musst.« Sie trat zurück. »Ich gehe in Bassetts Zimmer. Sag Galen, dass er mich dort abholen soll.«

    Der Elfenbeinspiegel hatte die Form eines ankh. Eine fein geschnitzte Viper wand sich um den Griff aus Teakholz. Es war sein letztes Geschenk an Chen Li gewesen.
    Es würde nun sein letztes Geschenk an Logan sein.
    »Ein ankh?« Chen Li hielt den Spiegel hoch. »Das ist das Symbol für Unsterblichkeit, nicht wahr?«
    »Deshalb habe ich ihn dir mitgebracht. Um dir zu zeigen, dass du ewig leben wirst.«
    Sie zog ein Gesicht. »Im Augenblick fühle ich mich überhaupt nicht unsterblich, Martin. Wenn auch viel besser als letzte Woche. Vielleicht werde ich ja doch gesund.«
    Sie würde nicht gesund werden. Wie sie da in diesem Stuhl am Fenster saß, sah sie dünn und schwach und blass aus. Sie würde niemals wieder die gleiche Chen Li sein. Der Tod stahl sie ihm, wie schon Logan sie ihm gestohlen hatte. Und Logan würde sie bis zuletzt besitzen, ihr Hoffnungen machen und Rudzak erzählen, sie sei zu krank, ihn zu sehen. »Bist du gestern Abend früh schlafen gegangen? Logan hat mich nicht reingelassen.«
    Sie wandte den Blick ab. »Ich war müde.«
    »Die Müdigkeit wird bald vergehen.« Er trat hinter sie und legte ihr die Hände auf die Schultern. »Dieser Spiegel ist etwas ganz Besonderes. Er gehörte einem Hohepriester. Er wird dir ewiges Leben schenken.«
    »Vielleicht sollten wir das den Ärzten erzählen. Ich habe das Gefühl, die könnten ein bisschen Hilfe gebrauchen.« Sie lehnte sich vor und seine Hände fielen von ihren Schultern. Sie entzog sich seiner Berührung. Er erkannte es mit ungläubigem Zorn. Er hatte sie bereits verloren.
    Aber er konnte sie zurückholen. Sie Logan wegnehmen.
    »Versuchen wir es«, sagte er. »Sieh in den Spiegel.«
    »Ich mag nicht, was ich im Spiegel sehe.«
    »Das solltest du aber. Du bist so schön.«
    »Ja sicher. Das sagt John auch immer.«
    Er wollte nicht hören, was Logan sagte. Dieser Augenblick gehörte ihm allein. »Weil es wahr ist.« Er beugte sich vor und legte die Hände um ihren Hals. »Du kannst es in meinen Augen sehen. Sieh in den Spiegel. Wenn du dein Spiegelbild nicht sehen willst, sieh meins an, und du wirst wissen, dass du ewig leben und immer so schön sein wirst, wie du es in diesem Augenblick für mich bist. Hebe den Spiegel.«
    Langsam hob sie den Spiegel. »Aber Martin, was ist denn los?
    Du hast Tränen in …« Der Spiegel fiel ihr aus der Hand, als er ihr mit einer heftigen Drehung den Hals brach.
    »Lebe wohl, Chen Li.« Zärtlich küsste er ihre Wange, dann hob er den Spiegel auf. »Lebe wohl, meine Liebe.«

    Er wickelte den Spiegel sorgfältig in Seidenpapier ein und legte ihn in die Schachtel. Darauf legte er einen Brief, dann verschloss er die Schachtel und adressierte sie an Sarah Patrick in Dodsworth.
    Stadtverwaltung Dodsworth,
    North Dakota

    Hatte er etwas gehört?
    War eine Tür zugefallen?
    Wahrscheinlich nicht. Er hatte schon den ganzen Abend in diesem knackenden und knarrenden alten Haus die seltsamsten Geräusche gehört, dachte Bill Ledwick. Wenn man sich langweilte, trieb die Phantasie die tollsten Blüten. Er konnte es kaum erwarten, zu den anderen in die Forschungseinrichtung zurückzukehren.
    Trotzdem sollte er dem vermeintlichen Geräusch besser nachgehen. Galen mochte es gar nicht, wenn man etwas ungeprüft durchgehen ließ.
    Er erhob sich von seinem Stuhl und ging den langen, dunklen Korridor hinunter.
    Stille, unterbrochen nur von den leisen Schritten seiner Gummisohlen auf dem Marmorboden.
    An der Glastür des Archivraums hielt er inne. Er trat zur Seite und öffnete die Tür. Er wartete eine Minute, dann knipste er das Licht an.
    Natürlich nicht. Einbildung.
    Trotzdem nachsehen. Sicherheitshalber.
    Er ging zu dem Aktenschrank an der anderen Seite des Raums und zog die Schublade heraus. Er wusste, wo die Akte aufbewahrt wurde. Er hatte schon oft genug nachgesehen.
    Er öffnete den Aktendeckel.
    Scheiße!

    »Mein Mann in der Stadtverwaltung hat mir gemeldet, dass die

Weitere Kostenlose Bücher