Komm fass mich an - Erotischer Roman

der Schrei in diesem Traum von einem der Freudenmädchen stammen müssen, die hier angeschafft hatten. Faye hatte die Frau nicht erkannt, nur dass sie eine ähnliche Haarfarbe hatte wie sie selbst.
    Diesen Träumen war ohnehin nicht zu trauen. Ihre Urgroßtante Belle hatte zu ihren Lebzeiten nichts unversucht gelassen, um den Laden am Laufen zu halten. Und selbst
nach ihrem Tod schien sie vor nichts zurückzuschrecken. Was sich darin äußerte, dass Belle jeden, der herkam, mit irgendwelchen erotischen Tricks manipulierte.
    »Bist du ganz sicher, dass du einen Angstschrei gehört hast, Kindchen? Es hätte auch ein wilder Orgasmus sein können, oder?«, gab ihre vor Jahrzehnten verstorbene Urgroßtante zu bedenken.
    Für einen kurzen Moment setzte sich die schöne Lichtgestalt anmutig auf die Stufen zur Galerie, einem ihrer Lieblingsplätze.
    »Keine Ahnung«, murmelte Faye, die sich zwangsläufig daran gewöhnt hatte, mit einer mausetoten Puffmutter zu plaudern. »Möglich, dass es ein Lustschrei war. Warum erzählst du mir nicht einfach, was es ist? Wieso diese Geheimnistuerei?«
    Dumme Frage. Die Geheimniskrämerei war das Rückgrat von Perdition House. Sein gesamtes Konzept stützte sich auf frivole Geheimnisse.
    »Oh Faye, wenn ich dir immer gleich alles erzählen würde, wär ja der ganze Spaß futsch.« Das scheinheilige Lächeln ihrer Tante sprach Bände. Belle genoss es, Faye Träume zu suggerieren mit schamlosen Details, wie sie in ihrem Etablissement stattgefunden hatten. Und die Storys muteten jedes Mal wie prickelnder Enthüllungsjournalismus an: Wie ich in einem Freudenhaus arbeitete und total in meinem Job aufging.
    Belle hatte ihre Gründe für ihr Tun, und wenn sie die Geschichte, die sich hinter der kreischenden Evastochter verbarg, zunächst noch für sich behalten wollte, dann war es auch okay. Ihre Tante hatte ihre impulsive Ader mit dem Tod verständlicherweise eingebüßt. Faye musste bloß abwarten und Tee trinken. Irgendwann würde Belle die
Lust an dem Spiel verlieren und mit der Wahrheit herausrücken.
    »Schlaues Mädchen«, meinte Belle milde schmunzelnd.
    Faye warf ihr eine Kusshand zu und schlug die Bettdecke zurück. Sie tappte auf nackten Füßen in das angeschlossene Bad, um sich für ihr Date mit dem sündhaft erotischen und potenten Mark aufzubrezeln.
    Dass sie eingedöst war, hatten ihr die Geister der Vergangenheit eingebrockt - dagegen kam sie nicht an. Die Träume hatten aus ihr eine schamlose Hedonistin mit zwei Lovern gemacht: Mark, einem total geilen Geschäftsmann aus Denver, und Liam, einem Anwalt aus Tantchens Kanzlei.
    Zwei Lover waren weniger als drei, aber ihr verklemmter, langweiliger Exverlobter Colin fiel in der erotischen Befriedigungsskala eindeutig nicht ins Gewicht. Es ärgerte sie, dass er seine Schlampe von Assistentin gevögelt hatte, während sie die Schuld für ihr langweiliges gemeinsames Sexleben bei sich gesucht hatte.
    Sie blendete diese Überlegungen rigoros aus. Was hatte es für einen Sinn, sich wegen irgendwelcher Enttäuschungen graue Haare wachsen zu lassen? Zudem hatte ihr Leben eine interessante Wendung genommen. »Auch wenn das Zusammenleben mit einer Horde perverser Geistergirlies eine verdammte Zumutung ist«, rief sie in dem leeren Badezimmer aus.
    Zumindest vermutete sie, dass sie allein war. Sie spürte weder einen kalten Hauch noch eine schemenhafte Bewegung hinter sich, und Belle war ihr anscheinend auch nicht gefolgt. »Trotzdem liebe ich euch alle«, setzte sie mit Nachdruck hinzu.

    Sie duschte kurz, stellte sich dabei mental ihr Outfit für das Date mit Mark zusammen - dem ersten Mann, mit dem sie ihre innere Sexblockade gelöst hatte.
    Sie hatte ihn in einer Hotelbar aufgegabelt. An jenem Abend hatte sie einen One-Night-Stand mit einem Fremden eingeplant, um herauszufinden, ob ihre Orgasmusprobleme tatsächlich mit ihr zusammenhingen. Eindeutig nicht!
    Bei Mark hatte sie gelernt, ihre Sexualität voll auszuleben und wieder Spaß am Sex zu haben. Colin mit seiner kleinen Nudel hätte sie fast davon überzeugt, dass sie sexuell eine Niete war. Marks Obsessionen hatten sie jedoch eines Besseren belehrt. Die neue Faye hatte ihm eine ganze Menge zu verdanken.
    Sie hatte Bammel, dass sich aus ihrem One-Night-Stand mehr entwickeln könnte.
    Was völlig okay gewesen wäre, wenn sie nicht schon mit Liam Watson von Watson, Watson und Sloane schlafen würde. Das war die Kanzlei, die Tante Maes Nachlass regelte. Watson senior war der Notar ihrer