Komm für mich: Erotischer Roman (German Edition)
vielleicht sogar jetzt in irgendeiner Ecke lauert und wahrscheinlich die Fassung verlieren wird, wenn er durch den Stoff meines Rockes auch nur die Andeutung eines Strumpfbandhalters sieht?
Oder vielleicht auch für Daniel, der allein schon bei dem Gedanken an solch einen Strumpfbandhalter rot anläuft und das als Entschuldigung benutzt, sich den ganzen Tag im Keller zu verstecken, um dem erbärmlichen Bibliotheksvamp zu entkommen, der die Unverfrorenheit besessen hat, ihm an sein Ding zu greifen?
Die letztere Variante scheint mir am wahrscheinlichsten. Unser lieber Professor hat im Archiv einen improvisierten Studierwinkel. Und obwohl er manchmal heraufkommt und nach Büchern im öffentlichen Ausleihbereich und in den allgemein zugänglichen Sammlungen sucht, haben wir heute noch nichts von ihm gesehen – dabei ist der Tag schon halb rum. Nach dem Debakel von gestern scheint er heute entweder nicht zu kommen, oder er geht vorsichtshalber lieber in Deckung.
Ach, du kannst mich mal, du Feigling! Mich beschäftigen ganz andere Dinge.
Ich entschließe mich, noch einmal in den Kasten für Verbesserungsvorschläge zu schauen. Heute Morgen war noch nichts drin. Na ja, zumindest nicht das, wonach ich suchte.
Um den Kasten zu leeren, muss ich den Schreibtisch der Information umrunden und mich ein wenig vorbeugen, um das Türchen in einer der Holzpaneelen zu öffnen. Das ist im Zeitalter computerisierter Ausleihe und Multimedia-dies und Multimedia-das zwar ein bisschen antiquiert, aber wir haben viele ältere Leser, die die traditionelle und althergebrachte Art und Weise bevorzugen. Da ich die meiste Zeit selbst recht altmodisch bin, weiß ich genau, wie diese Menschen sich fühlen.
Als ich mich so graziös wie möglich nach vorne beuge, habe ich trotzdem das Gefühl, als wäre ein Suchscheinwerfer mit zehntausend Watt auf mich gerichtet und dass tausend gierige Augen – und nicht nur die von Nemesis – jede meiner Bewegungen beobachten. Als der Gabardinestoff meines Rockes sich um meinen Po spannt und sich dessen wohlgeformte Rundungen abzeichnen, habe ich das Gefühl, ein allgemeines, anzügliches und anerkennendes Grunzen zu hören.
Als ich den Korb schließlich herausnehme, bricht mir zwischen den Brüsten der Schweiß aus. Ich trage heute eines meiner besten Unterwäschesets. Leider kein purpurroter Satin, sondern makellos weiße Spitze mit zarter Stickerei, die das Höschen und die Körbchen akzentuieren und eigentlich nur eins zu rufen scheinen: »Hier bin ich – besorg’s mir!« Ich habe nicht die geringste Ahnung, warum ich mir die Mühe gemacht habe. Zumindest weiß ich es nicht wirklich. Aber mein versautes Unterbewusstsein überlegt sich jetzt wahrscheinlich sogar, wie ich Daniel Brewster meine zumindest im Ansatz tolle Unterwäsche präsentieren kann. Oder vielleicht sogar Nemesis – wenn ich irgendwie herausfinden könnte, wer er ist!
Aber der Inhalt des Korbes nimmt mir völlig den Wind aus den Segeln. Kein blauer Briefumschlag! Ist es schon so schnell vorbei? Das ganze Gerede, dass Perverslinge das Interesse verlieren, wenn man nicht auf sie reagiert, stimmt also tatsächlich!
So ein Mist! Ich will aber einen Brief! Oder?
Nachdem ich den Korb weggeschlossen und mich wieder hinter den Schreibtisch verzogen habe, starre ich blind auf die Forderungen, dass den Büchern doch wieder mehr Platz in den Regalen eingeräumt werden sollte und wieso wir so viel audiovisuellen Mist statt richtiger Literatur im Bestand hätten. Beschwerden über lange Wartelisten für die Liebesromanbestseller. Was ist mit mehr Veranstaltungen der Kinderbibliothek? Der übliche Kram also.
Aber die Worte kommen mir vor, als wären sie in einer Fremdsprache geschrieben. Dabei ist die einzige Sprache, die ich lesen möchte, diejenige, die gestochen scharf auf hellblauem Briefpapier geschrieben ist. Mir ist danach, die berechtigten, vernünftigen, aber unglaublich öden Vorschläge zu zerknüllen und die Papierbällchen den langweiligsten und meiner Einschätzung nach unversautesten Lesern zwischen den Regalen ins Gesicht zu werfen.
Ich will etwas Aufregendes, etwas Großes und Atemberaubendes, einen Hauch von düsterer Zwanghaftigkeit, von der ich gestern Abend geträumt habe. Diese ganz spezielle Fetisch-Karte hat Nemesis zwar noch nicht ausgespielt, aber meine Instinkte schreien förmlich danach. Vielleicht hätte er es sogar schon längst getan, wenn ich den Mumm gehabt hätte, ihm zu antworten. Schließlich stand seine
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