Komm für mich: Erotischer Roman (German Edition)
Briefpapier von Nemesis in der Hand gesehen, wären mir längst die Augen aus dem Kopf gefallen und ich hätte Nägel mit Köpfen gemacht. Stattdessen scheint der Kerl völlig in die Geschichte des Rugbyspiels in Yorkshire vertieft zu sein.
Wer bist du, Nemesis, du kranker Teufel? Bist du hier? Jetzt in diesem Moment? In sichtbarer oder vielleicht sogar greifbarer Nähe?
Unmöglich, das zu sagen. Ich habe nicht ständig Dienst in der öffentlichen Ausleihe, sodass ich nicht sagen kann, wer den Tag über etwas in den Kasten wirft. Und wir befinden uns schließlich in der großen Zentralbibliothek des Landkreises. Hier sind die wissenschaftliche Bibliothek, die Abteilung für audiovisuelle Medien, die Kinderbibliothek, die Archive und eine ganze Reihe von Spezialsammlungen untergebracht. Das Gebäude ist groß, sehr weitläufig, und die meisten Räume sind für die Öffentlichkeit zugänglich. Nemesis könnte als seriöser Besucher getarnt praktisch überall sein.
Erneut will sich eine atemlose Panik in mir ausbreiten. Wenn er nun wirklich gefährlich ist? Ich muss hier raus und spüre beim Blick auf die Uhr eine große innerliche Erleichterung. Es ist fast zwölf Uhr, und ich danke dem Himmel, dass ich heute relativ früh Mittagspause habe. In ein paar Minuten kann ich raus an die frische Luft gehen und wieder wie ein Mensch denken, der nicht durchgedreht ist.
Als wäre sie ein Flaschengeist, den ich soeben gerufen habe, erscheint auch schon Tracey, um ihre Schicht an der Information zu übernehmen. Der Platz ist nicht immer besetzt, aber gerade während der Mittagspausen haben wir viele Anfragen von Lesern.
»Alles okay?«, fragt sie mich, und mir wird klar, dass ich wohl genauso nervös und verwirrt aussehen muss, wie ich mich fühle.
»Ja, alles bestens«, lüge ich und verziehe meinen Mund zu einem, wie ich hoffe, normal aussehenden Lächeln. »Ich musste was im Katalog nachsehen, und das System hat mal wieder rumgezickt. Ich dachte schon, ich hätte was verbockt, aber jetzt scheint alles wieder normal zu laufen.«
Wir unterhalten uns kurz über Bibliotheks-Interna, und ich glaube, ich kann ihr weismachen, dass dies nur ein weiterer in einer endlosen Reihe von alltäglichen und ereignislosen Vormittagen gewesen ist. Dennoch fühle ich mich etwas schuldig, weil ich ihr nicht von Nemesis erzähle. Sie ist eine Freundin, und unter normalen Umständen würde ich genau mit ihr über die ganze Sache lachen.
Drei oder vier Minuten später bin ich bereits auf dem Weg zum Hinterausgang, um ein bisschen frische Luft zu schnappen. Im Aufenthaltsraum sitzen nur Clarkey, der Hausmeister des Gebäudes, und der Technikfreak aus der Kreisverwaltung, der eigentlich die Computer auf den neuesten Stand bringen soll. Ob einer von ihnen wohl Nemesis ist?, frage ich mich. Greg, der Computerfreak, ist ein schlauer, hübscher, junger Mann. Aber bei dem Gedanken, dass Clarkey mir schmutzige Briefe schicken könnte, dreht sich mir der Magen um. Allerdings glaube ich kaum, dass er auf etwas anderes gierige, hungrige Lust entwickeln könnte, als auf die riesige Fleischpastete, die er sich gerade in den Mund schob. Und nach den kaum lesbaren Zetteln zu urteilen, die er öfter mal an den Boiler der Personaltoilette klebt, wird er kaum in der Lage sein, einen Brief in gestochener Handschrift zu schreiben.
Da wir einige seltene und sehr wertvolle Dokumente im Bestand haben, sind die Sicherheitsvorkehrungen sehr streng. Doch nach meinem üblichen Kampf mit dem Zahlencode und dem Schließriegel gelingt es mir schließlich doch, die Tür zu öffnen. Mein Ziel ist die kleine Grünanlage hinter dem Parkplatz. Dort will ich ein bisschen nachdenken.
Doch gerade als ich durch die Tür hinausschlüpfen will, stoße ich mit einem dunkelhaarigen schwer beladenen Typen mit Brille zusammen, der das Gebäude gerade betreten will. Er bewegt sich recht langsam, weil er diverse Bücher, mehrere Zeitungen, eine Kartenrolle unter dem Arm und seine Aktentasche in der Hand trägt – alles Dinge, die bei unserem Zusammenstoß zu Boden fallen.
Und wieder werde ich rot. Er ist ja auch nur unser geheimer Superstar unter den exzentrischen Akademikerin, die hier ein-und ausgehen, den ich gerade über den Haufen gerannt habe. Der anbetungswürdig gut gebaute, reizende, aber recht weltfremde und etwas schusselige Professor Daniel Brewster.
»Oh je! Tut mir schrecklich leid!«, entschuldigt er sich, als wäre es allein seine Schuld, dass ich aufgrund lüsterner
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