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Komm her, Kleiner

Komm her, Kleiner

Titel: Komm her, Kleiner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lola Lindberg
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Pferdeschwanz.
    Er bemerkt sie nicht.
    Katharina wird mutiger, verwegener. Sie ist hinter ihm her, wie hypnotisiert von der Breite seiner Schultern, der Schmalheit seiner Hüften, vom Spiel der Pobacken unter seiner engen Jeans. Stellt sich vor, wie sie aussehen würden, wenn er nackt vor ihr herliefe. Wie sie sich anfühlen. Wie ihre eigenen Hände sich langsam um ihn schlängeln würden, um sich an ihn zu drücken, ihr Gesicht zwischen seinen Schulterblättern zu vergraben, sich in der Wärme seiner Haut, seinem Duft zu verlieren.
    Katharina schließt auf, muss sich an einer Kasse – wie zufällig – nah an Strecker vorbeidrängeln. Alle ihre Sinne sind geschärft. Sie sieht die feinen blonden Stoppeln auf seinen Wangen, das markante Kinn, das Muttermal unter dem rechten Auge. Unauffällig atmet sie tief ein. Ist das ein Parfüm? Er riecht frisch geduscht. Männlich, aktiv, sprungbereit. Aber seine Augen … seine Augen sind müde. Nein, nicht müde – gelangweilt. Katharina muss lächeln. Er wirkt auf sie wie einer dieser bezahlten Lebemänner, mit denen sich reiche viktorianische Ladys in Romanen oder in Filmen von Merchant Ivory oft umgeben: jung und schön, ein Lächeln auf den Lippen, doch der Blick verschleiert, müde. Sehnsüchtig? Nein, eher dekadent. Gelangweilt. Das gefällt ihr. Genauso wie die kurzen, braunen Brusthaare, die sie im Ausschnitt seines Hemdes erspähen kann.
     
    Katharina weiß nicht, wie lange sie Strecker nun schon folgt. Um sie herum hat sich das Kaufhaus geleert; der Geschäftsschluss steht kurz bevor. Katharina sieht sich um: Sie befindet sich in der Sportabteilung. Trainingsanzüge überall, etwas weiter hinten Badehosen, an einer Wand Tennisschläger. Und kein Verkäufer weit und breit.
    Überhaupt niemand weit und breit außer ihm.
    Sie sieht zu Strecker hinüber, während sie gedankenlos den Stoff einer Jogginghose prüft. Er steht mit dem Rücken zu ihr. Katharina betrachtet seinen Hinterkopf mit den kurzen, dunkelblonden Haaren. Fragt sich, wie es auf ihren Fingern prickeln würde, wenn sie mit ihnen durch die kurzrasierten Stoppeln fahren dürfte.
    Aber … warum steht er einfach nur so da, mit dem Rücken zu ihr?
    Und dann sieht Katharina es. Strecker steht vor einem Spiegel. Blickt hinein – und ihr direkt in die Augen. Sieht genau, wie sie ihn beobachtet.
    Hitze steigt Katharina in die Wangen. Schnell schaut sie zu Boden, nestelt an der Jogginghose, überlegt, was sie nun tun soll. Jägerin? Na, von wegen!
    „Was wollen Sie von mir?“
    Seine Stimme ist dunkel. Er wirkt nicht verärgert, noch nicht einmal neugierig. Will nur eine Antwort. Als Katharina den Blick wieder hebt, kommt er auf sie zu. Er bewegt die Schultern, wenn er geht, ganz sanft vor und zurück. Jetzt steht er direkt vor ihr. Seine Augen sind grün und grau, aber nicht kalt. Ein Lächeln spielt um seine Lippen.
    „Und?“
    Er hat die ganze Zeit gewusst, dass sie ihm folgt! Das wird Katharina jetzt klar. Ihr Kopf glüht, in ihrem Bauch scheint sich eine tiefe, gähnende Leere aufzutun. Ihr ist schummrig. Ihr Herz …
    Nein.
    Ihr Herz rast nicht.
    Katharina atmet tief ein. Beruhigt sich. Gewinnt ihre Beherrschung zurück. Und lächelt. Sie weiß, was sie will. Was sie tun muss.
    Er lächelt immer noch. „Strecker. Stefan Strecker. Schön, Sie kennenzulernen.“
    Jetzt oder nie. Katharina schaut sich schnell um. Tatsächlich, kein Mensch zu sehen. Dafür ein Schild: Anprobe.
    „Hallo, Stefan.“ Im Vorbeigehen streift Katharinas linke Hand wie zufällig sein Hemd, unter dem sie den harten, flachen Bauch erahnt. Mit hoch erhobenem Kopf schreitet sie zu den Umkleidekabinen, jeder Schritt ganz bewusst. Lässt dabei ihre Hüften tanzen wie ein Model auf dem Laufsteg. Inszeniert ihren großen Auftritt. Kurz bevor sie zu den Kabinen einbiegt, drückt sie die Schultern nach hinten durch, lässt den Mantel hinuntergleiten und einfach auf den Boden fallen.
    Sie muss nicht lange auf ihn warten. Drei tiefe Atemzüge, dann hört sie, wie er hinter ihr in die kleine Umkleidekabine tritt, ihren Mantel in der Hand. Katharina dreht sich um. Strecker steht einfach da, immer noch lächelnd, aber mit mehr als nur einer Spur Verwunderung. Er hat eine Ahnung von dem, was hier passiert, ist sich aber nicht sicher.
    „Den haben Sie gerade … verloren?“
    „Danke.“ Katharina nimmt den Mantel, lässt ihn achtlos hinter sich zu Boden fallen. Strecker starrt sie jetzt an, lässt seine Augen über ihren Körper gleiten.

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