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Komm her, Kleiner

Komm her, Kleiner

Titel: Komm her, Kleiner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lola Lindberg
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schlafen will?“
    „Sind Sie schwul?“
    „Nein.“
    „Dann werden Sie es wollen. Vielleicht nicht jetzt, aber heute Abend sicher. Und nun überlegen Sie nicht lange. Sagen Sie ja.“ Für einen Moment schien ihr Lächeln tatsächlich freundlich zu sein. „Alles andere wäre …“
    „Eine Beleidigung?“, mutmaßte ich und bemerkte ärgerlich, dass meine Stimme nicht herausfordernd klang, sondern einfach nur bockig.
    „… Zeitverschwendung“, beendete sie den Satz.
     
    Wir gingen ins Kino. Der Film war banal, aber lustig, und ich hatte wirklich Spaß. Wenn ich aus dem Augenwinkel zu meiner Begleitung hinübersah, konnte ich ein Lächeln erkennen. Ich konnte nicht sagen, ob es amüsiert oder befriedigt wirkte und Tom Cruise galt oder mir.
    Wir gingen in die Bar. Ich strahlte sie an. Sie schob die 100 Euro in meine Hand und packte mir, als wir uns, zwei Wodka Martini später, wieder auf der Straße fanden, wenig lasziv zwischen die Beine. „Ein netter Abend“, sagte sie. „Ist er schon zu Ende?“
    „Äh … ja.“ Ich winkte ihr ein Taxi heran, lief selbst zur nächsten U-Bahn-Station und reichte ihr am nächsten Morgen ein weiteres Sandwich mit Hüttenkäse.
    Annette und ich begannen, regelmäßig ins Kino zu gehen, um uns die Filme anzusehen, die ihren Freunden angeblich zu platt waren. Später begleitete ich sie auch in die Oper und auf Vernissagen. Annette redete viel, ich trank wenig, um einen  klaren Kopf zu behalten. Dabei wäre das nicht nötig gewesen: Sie fragte nie nach meinem Leben. Oder meiner Meinung. Im Laufe der Zeit erfuhr ich dafür viel über ihre Kollegen und Vorgesetzten, ihre Ansichten über Kunst, Kommunikation und Karriere. Das Thema Koitus spielte immer erst eine Rolle, wenn der Abend sich dem Ende zuneigte. Ich lernte schnell, darauf zu reagieren.
    „Haben Sie eine kleine Freundin, Micha?“
    „Nein.“
    „Das wundert mich. Männer, die so gut aussehen, sind nur selten allein. Machen Sie es sich selbst?“
    „Gelegentlich.“
    „Und? Haben Sie einen großen Schwanz?“
    „Ja.“
    „Wollen Sie ihn mir zeigen?“
    „Nein.“
    Meistens lachte Annette dann etwas zu laut und wechselte das Thema.
    Ich verbrachte meine freien Nachmittage zunehmend damit, mich auf unsere Gespräche vorzubereiten: Gingen wir abends in die Oper, besorgte ich mir das Textheft. Vor einer Impressionistenausstellung ließ ich meinen Spinningkurs im Studio ausfallen und las mich in der Unibibliothek in das Thema ein. Und mit Kai übte ich, mich auf alle anderen Eventualitäten des Abends einzustellen.
    „Finden Sie meine Brüste schön?“, imitierte er sie recht gekonnt.
    „Das Jackett steht Ihnen hervorragend“, konterte ich.
    „Micha, wollen Sie mich hier und jetzt bis zur Bewusstlosigkeit vögeln?“
    „Annette, wollen wir nicht lieber noch etwas zu trinken bestellen?“
    „Können Sie sich vorstellen, mich einfach mal in den Arm zu nehmen?“
    „Das würde sie nicht sagen“, widersprach ich.
    „Darauf kommt es nicht an“, grinste Kai.
    „Worauf dann?“
    „Auf deine Antwort, du kleiner Heterodepp.“
    Ich hätte mir eher die Zunge abgebissen, als es zuzugeben, aber natürlich hatte Kai recht: Annette und ich schlichen wie zwei kampfbereite Raubkatzen umeinander herum. Es war ein immer gleiches Spiel: Sie machte mir ein viel zu direktes Angebot, ich lehnte ab. Manchmal charmant, manchmal nicht. Irgendwann wurde mir bewusst, dass sich die Spielregeln geändert hatten. Ich wartete regelrecht auf die Momente, in denen sie – manchmal mit betont desinteressierter Stimmlage, manchmal kühl, immer herausfordernd – nach meiner Lieblingsstellung fragte, um ihr dann eine Abfuhr erteilen zu können.
    Hatte ich mich verliebt? Ganz sicher nicht.
    Erregte sie mich? Auf jeden Fall. Doch es war anders, als ich es gewohnt war: Annettes Gegenwart bescherte mir keine Erektion, sondern ein ziehendes Gefühl im Magen. Unsicherheit, Faszination und eine nervöse Geilheit, die sich frustrierenderweise sofort verflüchtigte, wenn ich später in meinem Bett lag und in meine Shorts greifen wollte.
     
    Eines Abends bot sie mir 250 Euro dafür, mich vor ihr auszuziehen. „Wir gehen zu mir. Sie stellen sich vor das große Fenster, ich setze mich in meinen Ledersessel und sage Ihnen, was Sie tun sollen. Vielleicht rauche ich ein Zigarillo dabei.“ Einer dieser einmaligen Blicke aus ihren blauen Augen. „Trauen Sie sich das zu?“
    Mein Magen zog sich zusammen. Ich spielte für eine Sekunde mit dem

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