Komm mit mir nach Caracas
..."
Polly atmete tief durch. „Mir wäre es lieber, wenn du es nicht tun würdest."
„Ich halte nichts von solchen Gesprächen am Telefon. Es ist typisch weibliche Kriegsführung", erklärte Raul grimmig.
„Ich wollte nur etwas Zeit für mich haben", konterte sie angespannt. „Du bist vielleicht der Vater meines Kindes, aber wir haben keine persönliche Beziehung zueinander."
„Wir sehen uns, wenn ich aus Paris zurück bin, Polly."
Auch nachdem Raul aufgelegt hatte, umklammerte Polly krampfhaft den Hörer. Sie wollte Raul nicht sehen, und sie wollte nicht von ihm hören. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, doch das hatte nichts mit ihm zu tun. Während der Schwangerschaft waren Frauen oft überempfindlich.
Am Ende der nächsten Woche kam Raul wieder. Es war Vormittag, und Polly hatte gerade ein weites rotes Jerseykleid mit V-Ausschnitt und kurzen Ärmeln angezogen, als es an der Tür klopfte. Sie verließ das Bad, die Bürste in der Hand, denn sie war noch dabei, sich zu kämmen.
Bei seinem Anblick setzte ihr Herz einen Schlag aus. Raul trug einen marineblauen Nadelstreifenanzug, der perfekt saß und seinen muskulösen Körper daher besonders gut zur Geltung brachte. Er wirkte geradezu überwältigend attraktiv und dynamisch.
Ihr schien es, als hätte sie ihn eine Ewigkeit nicht gesehen, und sie musste sich zwingen, nicht auf ihn zuzugehen.
Schließlich kam er auf sie zu und nahm ihr lässig die Bürste aus der Hand. Dann umfasste er ihre Schultern, drehte sie um und kämmte vorsichtig ihr verklettetes Haar, bevor er ihr die Bürste wieder reichte. „Ich möchte mich für mein Verhalten neulich entschuldigen", erklärte er.
Polly verspannte sich und errötete. „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen", erwiderte sie betont locker. „Es war doch nur ein Kuss."
Im Badezimmerspiegel sah sie, dass seine dunklen Augen aufleuchteten und er ein wenig den Mund verzog. „Bueno. Hast du Lust, heute mit mir zu Mittag zu essen?"
Überrascht drehte sie sich zu ihm um. „Gern." Sie konnte es kaum erwarten, die Klinik endlich einmal zu verlassen.
Im Foyer kam ihnen Janice Grey entgegen.
„Oh, wolltest du mich besuchen?" fragte Polly bestürzt. „Wir wollten gerade essen gehen."
„Das überrascht mich." Janice zog eine Braue hoch. „Ich dachte, du solltest dich hier ausruhen."
„Ich sorge dafür, dass sie sich nicht überanstrengt, Mrs. Grey", sagte Raul und lächelte höflich. „Bei der Gelegenheit möchte ich Ihnen gleich dafür danken, dass Sie Polly so unterstützt haben."
Janice lächelte schwach und wandte sich dann an Polly. „Henry hat mir erzählt, dass du nicht zu uns zurückkommst." Sie warf Raul einen unverhohlen feindseligen Blick zu. „Höre ich etwa Hochzeitsglocken läuten?"
Polly wurde erst blass und dann rot. Einen Moment lang herrschte spannungsgeladenes Schweigen.
„Polly wird Sie sicher auf dem Laufenden halten, Mrs. Grey", kam Raul ihr zu Hilfe.
„Ich bin froh, dass du ihr nicht von unserer Vereinbarung erzählt hast", bemerkte er, als er ihr wenige Minuten später in die Limousine half. „Aber warum hast du so unbehaglich gewirkt?"
Sie dachte an jene verrückten Wochen in Vermont, als ihre Fantasie mit ihr durchgegangen war und sie sich ausgemalt hatte, Raul zu heiraten. Nun wollte sie nicht mehr daran erinnert werden. Fieberhaft suchte sie nach einer Ausrede.
„Janice war sehr nett zu mir ... aber sie hätte mich nie bei sich aufgenommen, wenn sie nicht von dem Erbe gewusst hätte. Sie konnte nicht verstehen, warum ich Henry nicht heiraten wollte, um Anspruch auf das Geld erheben zu können."
„Jetzt brauchst du dich nicht mehr zu entscheiden. Du bist sowieso noch zu jung für die Ehe, gatita ."
Einen Moment lang herrschte beklommenes Schweigen. Polly war sehr angespannt und wünschte bereits, sie hätte seine Einladung nicht angenommen. Sicher wollte Raul sich beim Essen mit ihr über die Zukunft des Babys unterhalten. Diesmal würde sie versuchen, so ruhig und sachlich wie möglich zu bleiben.
„Ich bin sehr nervös", gestand sie dennoch. „Kannst du mir nicht einfach sagen, ob du mich nach der Geburt verklagen willst oder nicht?"
Raul verzog den Mund. „Schön wär's. Ich finde es zwar ungerecht, aber in diesem Land habe ich als Vater deines Kindes keine Rechte."
„Wirklich?" Verblüfft sah sie ihn an. „Aber was ist mit dem Vertrag?"
„Vergiss den Vertrag. Glaubst du allen Ernstes, ich würde eine so private Angelegenheit vor Gericht
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