Komm mit mir nach Caracas
austragen?"
„Daran habe ich überhaupt nicht gedacht." Sie war unendlich erleichtert. „Ich hatte nur Albträume, dass man mich an die USA ausweist."
Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „In einer Situation wie dieser sind drastische Maßnahmen nicht angebracht."
Glaubte er, sie überreden zu können? In der Hinsicht brauchte er sich keine Hoffnungen zu machen, denn sie war entschlossen, ihr Baby zu behalten. Allerdings verspürte sie zunehmend Schuldgefühle, weil es ihm gegenüber nicht fair war. Also mussten sie einen Kompromiss finden.
Nur wie sollte dieser Kompromiss aussehen? Raul hatte sich entschieden, eine Leihmutter zu engagieren, weil er ein Kind, aber keine Partnerin wollte. Doch egal, was jetzt passierte, er würde niemals das alleinige Sorgerecht für sein eigenes Kind bekommen.
Kurz darauf trafen sie in seinem Apartment im Londoner Stadtteil Mayfair ein, und Polly fühlte sich angesichts der luxuriösen Einrichtung befangen. Ein Diener servierte ihnen das Essen, das köstlich schmeckte, und Raul berichtete von seiner Geschäftsreise nach Paris. Er war ein sehr guter Erzähler, doch sie musste ständig daran denken, wie er sie in Vermont mit seinem gesellschaftlichen Schliff getäuscht hatte.
Inzwischen kannte sie ihn gut genug, um zu wissen, dass er im Grunde sehr distanziert war und nicht über persönliche Dinge sprach. Er hatte ihr lediglich erzählt, dass er keine nahen Verwandten mehr hatte, dass er Geschäftsmann und viel auf Reisen war und dass er in Venezuela geboren worden war.
Raul betrachtete sie mit einem unergründlichen Ausdruck in den Augen. „Ich habe den Eindruck, dass du mit deinen Gedanken ganz woanders bist."
„Vielleicht bin ich müde", erwiderte Polly unbehaglich.
Sofort schob er seinen Stuhl zurück und stand auf. „Dann solltest du dich eine Weile in einem der Gästezimmer hinlegen."
„Nein ... wir müssen miteinander reden", sagte sie angespannt. „Ich möchte es hinter mich bringen."
Sie stand ebenfalls auf und setzte sich in einen Sessel. Der Diener servierte ihnen Kaffee. Raul ging nervös zum Fenster und blickte sie dann an. „Mach nicht so ein ängstliches Gesicht. Ich komme mir sonst vor wie ein Tyrann."
Polly umfasste ihre Tasse mit beiden Händen. „Das bist du nicht. Du bist sehr geduldig und verständnisvoll."
Er machte eine beredte Geste. „Ich weiß vielleicht eine Lösung. Bitte hör mir zu."
Sie verspannte sich.
„Als du schwanger geworden bist, hast du nicht damit gerechnet, irgendwann einmal die Verantwortung für das Kind zu übernehmen", erklärte er.
Polly nickte langsam.
„Ich glaube, du bist zu jung, um ein Kind allein zu erziehen. Soviel ich weiß, hast du eine persönliche Beziehung zu dem Baby entwickelt und machst dir Sorgen um seine Zukunft. Aber wenn du es behalten willst, gibst du die Freiheit auf, die für die meisten Frauen in deinem Alter selbstverständlich ist."
Sie warf ihm einen trotzigen Blick zu. „Das weiß ich. Aber was ich nicht kenne, werde ich wohl kaum vermissen ..."
„Aber du könntest diese Freiheit jetzt haben. Du solltest dein Studium wieder aufnehmen", sagte Raul ruhig. „Wenn ich das Kind mit nach Venezuela nehmen darf, kannst du es regelmäßig besuchen, und ich werde dich über seine Entwicklung auf dem Laufenden halten. Es soll wissen, dass du seine Mutter bist, aber in erster Linie werde ich für es sorgen."
Dass er so kompromissbereit war, verblüffte sie. Er bot ihr an, bis zu einem gewissen Grad gemeinsam für das Kind da zu sein, und das war wesentlich mehr, als sie erwartet hatte.
„Ich glaube, jedes Kind braucht eine Mutter und einen Vater", erwiderte sie verlegen.
„Das ist unmöglich."
„Ich wurde von meinem Vater großgezogen, und es verging kein Tag, an dem ich mich nicht nach meiner Mutter gesehnt habe."
„Vielleicht wird es ja ein Junge."
„Ich glaube nicht, dass es einen Unterschied macht. Ich muss für mein Kind da sein und mein Bestes tun, um ihm eine gute Mutter zu sein." Es fiel ihr sehr schwer, ihre Gefühle in Worte zu fassen. „Und du hast Recht, ich hätte mir vorher darüber klar sein müssen. Ich kann es nur damit erklären, dass ich mir nicht einmal annähernd vorstellen konnte, was eine Schwangerschaft für mich bedeuten würde."
Raul warf den Kopf zurück und blickte sie eindringlich an. „Wenn du wirklich meinst, was du sagst, dann musst du mit nach Venezuela kommen."
„Nach Venezuela?" wiederholte Polly entgeistert.
„Ich werde dir dort ein
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